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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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angreifende Truppe würde von Schrapnell- und Musketenfeuer niedergemäht we rden, ehe sie auch nur den Hauptgraben unterhalb der Mauer erreicht hatte.
    Ashby tat, was er konnte, um mit seinem Anmarsch ein mö glichst imponierendes Schauspiel zu bieten. Die MarineInfanteristen bildeten ständig neue Gruppen und Abteilungen oder flankierten die eigene Marschkolonne. Wahrscheinlich kam ihnen das Ganze ebenso rätselhaft vor wie oben den Franzosen, die ihren Anmarsch beobachteten.
    »Wir haben nur ein paar Minuten Zeit«, sagte Bolitho eindringlich. »Die Franzosen werden bald merken, daß alles nur Bluff ist.« Unwillkürlich duckte er sich, als ein einzelnes Geschütz von der anderen Mauer her losdonnerte, und fuhr dann fort: »Die
Hyperion
kann ihre Scheinangriffe auch nicht stundenlang fahren. Wenn eine dieser glühenden Kugeln an einer Stelle trifft, wo unsere Leute nicht rechtzeitig hinkommen, brennt das Schiff lichterloh.«
    Rooke zog den Degen und sah die beiden Pistolen in seinem Gü rtel nach. »Ich bin bereit«, sagte er mit fester Stimme. »Aber ich meine immer noch, wir sollten das Haupttor zu erreichen versuchen. Wenn wir dort sind, ehe die
Frogs
es bemerken, können wir Ashby den Weg für einen Frontalangriff freimachen.«
    »Und wenn nicht?« entgegnete Bolitho gelassen. »Dann hauen sie uns kurz und klein und können Ashby vernichten, wann und wie sie wollen.« Er leckte sich die trockenen Lippen und glitt von der Schießscharte.
    Alle Matrosen beobachteten ihn scharf – sie versuchten, ihr eigenes Schicksal aus seinen Augen zu lesen. Er sprach weiter: »Wenn ich Befehl gebe, klettern wi r durch diese beiden Schießscharten über die Brustwehr.« Er war sich wohl bewußt, wie die kostbaren Sekunden verrannen, aber die Männer mußten ganz genau verstehen, was sie zu tun hatten. »Es sind etwa fünfundsiebzig Yards bis zum Festungstor zu überwinden. Jetzt steht es offen – aber wenn sie uns zu früh sehen, knallen sie uns die Tür vor der Nase zu!« Er rang sich ein Lächeln ab. »Also rennt, als wäre der Teufel hinter euch her! Wenn wir die Festung einnehmen, wird sich die Außenbatterie ergeben. Auf sich allein gestellt, wäre sie verloren.«
    Plötzlich zuckte er zusammen: einer von denen, die ihn da gespannt anblickten, war Midshipman Seton. Rooke bemerkte sein Stutzen und sagte obenhin: »Ich hielt es für richtig, daß er mitkommt, Sir. Wir brauchen alle erfahrenen Leute für später.«
    Bolitho musterte ihn kühl. »Auch Leutnants sind nicht immun, Mr. Rooke!«
    Da mischte sich Tomlin mit seiner groben Stimme ein: »Die Batterie hat wieder Feuer eröffnet, Sir. Machen sich anscheinend keine Sorgen wegen Captain Ashby.«
    Bolitho zog den Degen und strich sich die Haarsträhne aus der Stirn. »Also dann hinüber, Jungs! Wer einen Laut von sich gibt, den lasse ich auspeitschen.«
    Auch der Furchtsamste unter den Männern wußte, daß diese Drohung gegenstandslos war. Wenn die Franzosen sie jetzt entdeckten, würde die Peitsche ihre geringste Sorge sein.
    Bolitho stand langsam auf und warf ein Bein über den Rand der Schießscharte. Die Mauer war sehr dick, aber er spürte eine stützende Hand unter seinem Arm und wußte, daß Allday dicht hinter ihm war. Merkwürdigerweise hatte er während des langsamen Vormarsches durch die Klippen überhaupt nicht an seinen Bootsführer gedacht. Vielleicht weil er sich schon so lange auf ihn verließ, daß seine Treue und sein Mut ihm selbstverständlich erschienen. Unvermittelt sagte er: »Wenn ich falle, Allday, dann bleiben Sie bei Mr. Rooke. Er wird alle Hilfe brauchen, die er kriegen kann.«
    Allday blickte ihn ruhig und aufmerksam an. »Aye, aye, Captain.« Dann warf er das schwere Enterbeil über die Schulter und fuhr fort: »Aber wahrscheinlich zielen die Franzosen eher auf
ihn

    Und bei diesen Worten grinste er. »Mit allem Respekt, Sir, aber Sie sehen so zerlumpt aus, daß es sich nicht lohnt, auf Sie zu schießen!«
    Bolitho musterte ihn. »Eines Tages gehst du zu weit, du frecher Bursche.«
    Dann erschien Rooke an der Spitze der zweiten Abteilung und begann den Durchstieg. Bolitho sprang zu Boden und rannte auf den runden Turm zu. Unwichtige Einzelheiten traten während seines Laufs über das Glacis hart und klar hervor: kleine weiße Steinsplitter, ein weggeworfenes Hemd, ein grobgezimmerter, zerbrochener Stuhl, ein irdener Weinkrug glitten blitzschnell an ihm vorbei, als er mit seinem Schatten um die Wette auf die Festungsmauer

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