Nahkampf der Giganten
etwas zu tun zu haben; Bolitho hatte gerade noch Zeit, sich zu fragen, wer sich wohl die Mühe gemacht hatte, die Flagge noch zu hissen.
»Ihr Großmars hat’s weggerissen, Sir«, brüllte Gossett heiser und schüttelte vor lauter Begeisterung den Rudergänger im Takt zu seinen Worten. »Mein Gott, sehen Sie sich das arme Luder bloß an!«
Ashby schritt über das Achterdeck, die Breeches blutbespritzt, der Degen baumelte an einer Goldschnur von seinem Handgelenk. Er faßte grüßend an den Hut, unbekümmert um die jaulenden Musketenkugeln und das Schmerzgebrüll, das jetzt auf beiden Schiffen ertönte. »Sobald Sie befehlen, können wir entern, Sir! Ein ordentlicher Ansturm, und wir hauen ihnen das Rückgrat aus dem Leib!« Dabei grinste er tatsächlich.
Ein Seesoldat, die Hände vors Gesicht geschlagen, fiel rücklings aus den Netzen und lag reglos an Deck. Eine Musketenkugel hatte ihm den Schädel fast auseinandergerissen. Wie Porridge war sein Hirn auf den Planken verschmiert.
Bolitho blickte weg. »Nein, Captain, so gern ich sie als Prise hätte – ich muß zuerst an das Geleit denken.« Er sah einen hochgewachsenen französischen Matrosen drüben an den Finknetzen stehen und seine Muskete genau auf ihn richten. Der Mann hob sich scharf von der Rauchwand ab, unbekümmert um alle Gefahr, nur von dem Drang beseelt, den britischen Kapitän zu töten. Seltsamerweise konnte Bolitho einfach dastehen und es sich wie ein Zuschauer ansehen: hell blitzte die Muskete auf, der Knall ging unter im Donnern der schweren Geschütze, während die
Hyperion
vom Rückstoß der Breitseite bockte. Bolitho spürte, wie die Kugel ihn am Ärmel zupfte – nicht stärker als eines Mannes Finger. Hinter sich hörte er einen schrillen Aufschrei, und ohne aufzusehen wußte er, daß die Kugel doch noch ein Opfer gefunden hatte. Aber sein Blick hing an dem unbekannten Schützen. Der mußte ein tapferer Mann sein, oder das Schicksal seines Schiffes hatte ihn in eine so irre Wut versetzt, daß er seiner eigenen Sicherheit nicht achtete. Er stand noch auf dem Schandeck, da riß ihn ein Neunpfündergeschoß der
Hyperion
mitten auseinander, so daß der Oberkö rper mit wild schlagenden Armen längsseit ins schäumende Wasser stürzte, während die gespreizten Beine noch sekundenlang fest und entschlossen stehenblieben.
Mit der
Saphir
sah es übel aus. Die Segel waren schwärzliche Fetzen, nur Klüver und Besanuntersegel schienen noch intakt. Dünne rote Blutströme rannen aus ihren Speigatten und zu Seiten der Pforten herab. Bolitho konnte den Umfang der Zerstörung nur raten. Bezeichnenderweise griff die untere Batterie des Feindes überhaupt nicht in den Kampf ein, die mächtigen Vierundzwanzigpfünder blieben stumm und ohnmächtig. Ein Wunder, daß das ganze Schiff noch nicht in Flammen aufgegangen war. Doch er wußte aus böser Erfahrung, daß solche Äußerlichkeiten täuschen konnten. Die
Saphir
mochte immer noch zum Kampf fähig sein, und ein einziger, genau gezielten Schuß konnte die
Hyperion
so lange außer Gefecht setzen, daß sie den schwer errungenen Vorteil wieder einbüßte.
»Mr. Rooke!« rief er. »Royal- und Bramsegel setzen!« Unten an Deck blieb den Matrosen der Mund vor Erstaunen offen, denn sie3 konnten nicht glauben, daß Bolitho den schwer angeschlagenen Zweidecker entkommen lassen wollte. »Danach die Steuerbordgeschütze ausrennen!« Und zu Gossett: »Nehmen Sie Kurs auf den Geleitzug! Wir luven an und sehen dann, wie weit wir kommen.« Die Deckoffiziere trieben bereits die vom Kampf erschöpften Matrosen an die Brassen; Bolitho wandte sich um und sah den Franzosen rauchumhüllt achteraus bleiben. Beinahe vergnügt fing die
Hyperion
den Wind in ihren pockennarbigen Segeln und nahm Kurs auf die anderen Schiffe.
Ein halbnackter Geschützführer, dessen muskulöser Oberkörper vom Rauch so schwarz und blank wie der eines Negers war, sprang auf seine Lafette, schrie: »Ein Hurra auf den Cap’n, Jungs!«, und geriet fast außer sich, als sich die Männer in einem wilden Hurraschreien und Armeschwenken abreagierten. Ein Kanonier verließ sogar seine Gefechtsstation und tanzte auf und ab, die nackten Füße klatschten auf dem blutüberströmten Deck, und sein Zopf flog im Takt zu seinem wilden Hüpfen.
Ashby grinste. »Kann man ihnen nicht übelnehmen, Sir!« Er winkte den Männern zu, um sich für Bolithos grimmige Miene zu entschuldigen. »Das war ‘n herrlicher Trick vorhin! Bei Gott, Sie haben sie gesegelt wie
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