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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sich unter den niederen Decksbalken und tastete sich durch das Halbdunkel des Orlopdecks. Im Vergleich hierzu war die Luft auf dem Achterdeck frisch und rein, selbst auf dem Höhepunkt einer Seeschlacht; denn hier, tief im Bauch des Schiffes, gab es nur wenig Ventilation, und sein Magen rebellierte gegen den Gestank nach Bilgewasser, Rum und Blut.
    Rowlstone, der Arzt, wußte schon lange, daß sein winziges Lazarett völlig unzureichend für die vielen Verwundeten von den oberen Decks war; und als Bolitho in den Lichtkreis der schwingenden Laternen trat, sah er, daß das ganze Revier vor dem säulendicken Mastfuß voller Verwundeter lag. Die
Hyperion
stampfte heftig in einer von achtern anrollenden See, so daß die Laternen irre, unberechenbare Kreise zogen und seltsame, tanzende Schatten auf die gewölbte Bordwand warfen oder sekundenlang kleine Bildausschnitte wie Teilstücke eines alten, nachgedunkelten Gemäldes hervorhoben.
    Über dem Knarren der Planken und dem dumpfen Anprall der See vernahm Bolitho ein stetiges Stimmengewirr, hier und da ein Wimmern oder einen scharfen Schmerzensschrei. Aber die meisten Verwundeten lagen ganz still da, nur ihre Augen folgten dem Licht der kreisenden Laternen oder starrten stumpf auf die kleine Gruppe um den blank gescheuerten Tisch, wo Rowlstone, das blasse, talgige Gesicht verzerrt vor Konzentration, an einem Matrosen arbeitete, den zwei Santitätsmaaten festhielten. Der Mann hatte wie jeder Schwerverwundete eine kräftige Portion Rum bekommen. Und doch rollte, während Rowlstones Säge gnadenlos durch sein Bein zog, sein Kopf hin und her; der Lederriemen zwischen seinen Zähnen erstickte sein Schmerzensgeheul, Rum und Erbrochenes ertränkten seine verzweifelten Proteste. Geschäftig sägte Rowlstone, die Hände ebenso blutig wie die schwere Schürze, die ihn vom Kinn bis zu den Zehen bedeckte. Endlich gab er seinen Maaten ein Zeichen; ohne weitere Umstände hoben sie den Matrosen vom Tisch und schafften ihn in das barmherzige Dunkel jenseits der Laternen.
    Der Arzt blickte auf und sah Bolitho. Inmitten der Verwundeten und Verstümmelten wirkte der stattliche Kapitän plötzlich klein und verletzlich.
    Leise fragte Bolitho: »Wieviele?«
    »Zehn Tote, Sir.« Der Arzt wischte sich die Stirn mit dem Unterarm, was einen roten Strich über dem rechten Auge hinterließ. »Bis jetzt.« Er blickte über die Schulter, denn zwei seiner Assistenten schleppten soeben einen neuen Mann zum Tisch. Wie es im Seegefecht oft passierte, war er von Holzsplittern getroffen; und als die Sanitätsmaaten ihm die blutbefleckte Hose herunterzogen, sah Bolitho den großen, gezackten Holzzahn unterhalb des Magens im Fleisch stecken. Sekundenlang starrte Rowlstone ohne zu blinzeln den Mann an. Dann sagte er ausdruckslos: »Dreißig Schwerverwundete, Sir. Etwa die Hälfte davon könnte durchkommen.«
    Ein Sanitäter goß dem Verwundeten Rum in den offenen Mund. Der konnte den schieren Sprit anscheinend nicht schnell genug schlucken, und dabei wichen seine Augen, Schrecken und zugleich Hoffnung geweitet, nicht von Rowlstones Händen.
    Der Chirurg griff nach seinem Messer und deutete seitwärts.
    »Mr. Dalby liegt da drüben, Sir.« Fast verzweifelt blickte er auf den Verwundeten und fuhr dann fort: »Wie die meisten ist er im unteren Batteriedeck verwundet worden.«
    Bolitho trat zur Seite, denn der Arzt beugte sich jetzt über den nackten Körper auf dem Tisch. Der Verwundete wurde augenblicklich starr, und Bolitho glaubte, den ersten Schnitt des Messers am eigenen Leibe zu fühlen.
    Dalby lehnte halb sitzend, die Schultern gegen eine der starken Rippen des Schiffes gestützt, auf einer Matratze. Bis auf einen breiten, durchgebluteten Verband um den Leib war er nackt, und bei jedem seiner offenbar schmerzhaften Atemzüge sickerte Blut durch die dicke Binde. Als Kommandeur der unteren Batterie war er bei der ersten französischen Breitseite verwundet worden. Trotz seiner Wunde sah er jetzt, als er die Augen öffnete und seinen Kommandanten anstarrte, fast erleichtert aus.
    Bolitho kniete sich neben ihn. »Kann ich etwas für Sie tun?« Dalby schluckte mühsam, und ein paar Tropfen Blut glitzerten auf seinen Lippen. »Wollte Sie sprechen, Sir.« Er faßte die Matratzenkanten fester und hielt den At em an. »Muß Ihnen sagen…«
    »Nicht sprechen, Mr. Dalby.« Bolitho sah sich nach sauberem Verbandszeug um, fand nichts und tupfte dem Leutnant die Lippen mit seinem eigenen Taschentuch ab.
    Aber Dalby,

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