Namibische Nächte (German Edition)
Der Angestellte der Mietwagenfirma hatte ihr zwar den Ersatzreifen im Kofferraum gezeigt, aber sie fragte sich, ob sie mit einem Ersatzreifen auskommen würde. Die riesigen Reifen an den großen Geländewagen waren so dick, dass sie sicherlich einiges an spitzen Schottersteinen vertrugen, aber ihre kleinen Stadtreifen hatten da nicht so viel entgegenzusetzen.
Auf der Pad nahm sie immer wieder Leute mit, die auf dem Weg von irgendwo nach irgendwo waren. Frauen mit Kindern, die sie auszulachen schienen, wenn sie ihr kleines Auto sahen, aber dann doch froh waren, wenn sie ein paar Kilometer mitfahren konnten.
Sie fühlte sich diesen Menschen sehr verbunden, obwohl sie ihre Sprache nicht verstand. Nicht alle sprachen Englisch.
Es war später Nachmittag, als sie endlich auf der Farm eintraf. Der Pförtner am Tor ließ sie passieren und wünschte ihr »Frohe Weihnachten«. In Gegensatz zu den Angestellten an der Tankstelle, an der sie getankt hatte, trug er keine rote Zipfelmütze über dem freundlichen, schwarzen Gesicht. Sie hatte das irgendwie lustig gefunden, wenn auch merkwürdig. Bei der Hitze. Lachend gab sie den Wunsch zurück.
Langsam fuhr sie weiter. Ihr kleines Auto hoppelte von einer Seite zur anderen, dass sie befürchtete, noch auf den letzten Metern könnte es den Geist aufgeben. Doch sie erreichte den Hof, hielt an, atmete tief durch.
Obwohl sie das sicher gewesen war, hatte sie die Fahrt hierher nicht als anstrengend empfunden. Sie war viel zu aufgeregt gewesen, um die Anstrengung zu spüren.
Aber nun spürte sie sie.
Sie stieg aus, und plötzlich flog etwas in ihre Arme.
»Tuhafeni!« Sie lachte und hob den leichten, kleinen Körper hoch. »Frohe Weihnachten!«
»Das kann man wohl sagen.« Eine tiefe Stimme mischte sich in Tuhafenis Kinderlachen. »Sie hat dich sehr vermisst.« Kian trat aus dem Haus.
Vanessas Herz blieb fast stehen. »Ich sie auch.« Sie stand mit Tuhafeni auf dem Arm auf und schaute Kian an. Nun klopfte es laut in ihrer Brust. »Ich konnte einfach nicht wegbleiben.« Sie zögerte und räusperte sich dann. »Es ist Weihnachten.«
Kian lächelte leicht. »Ja, es ist Weihnachten.« Er wies auf die Tür. »Komm rein. Wir haben sogar einen Baum.«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Nein, ich will nicht stören. Das ist ein Familienfest. Du willst ja mit Isolde und den Kindern feiern. Gibt mir lieber ein Rondavel. Ist schon in Ordnung.«
Kian schaute sie erstaunt an. »Warum sollte Isolde mit mir feiern? Sie freut sich, dass ihr Mann endlich einmal da ist. Sie feiern natürlich zusammen.«
»Was?« Vanessa stand da wie vom Donner gerührt. »Ihr habt euch getrennt?«
So schnell? Und dann auch gleich Scheidung und neue Heirat? Alles in nur ein paar Wochen? Das musste ja rasant gehen in Namibia.
Kian sah mehr und mehr verwirrt aus. »Nein, sie arbeitet immer noch für mich. Warum sollten wir uns trennen? Ich bin froh, dass ich sie habe. Ich hasse Büroarbeit, das weißt du doch.«
Vanessa zog die Augenbrauen zusammen, stand mit Tuhafeni auf dem Arm da und verstand kein Wort. »Aber ihr . . . ich meine . . . die Kinder . . . Wollen die denn nicht mit ihrem Vater feiern?«
»Ja, sicher.« Kian lachte. »Deshalb ist Isolde ja so froh, dass er endlich einmal da ist und nicht auf Tour. Er ist Jagdführer und die meiste Zeit mit Touristen unterwegs.«
»Ihr seid nicht verheiratet, du und Isolde?« Sie fühlte sich, als hätte gerade etwas den Erdboden erschüttert.
»Isolde und ich? Verheiratet?« Kian wirkte völlig überrascht. »Wieso das denn?«
»Aber . . . ihr seid damals doch zusammen nach Namibia zurückgegangen. Und sie war schwanger.« Sie versuchte immer noch, das Puzzle zusammenzusetzen. Auf einmal schien nichts mehr zusammenzupassen.
Er schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Sie kam mit mir nach Namibia zurück, weil sie mich nach dem Tod meiner Eltern unterstützt hat. Sie hat mir vieles abgenommen. Ohne sie hätte ich die Gästefarm nie betreiben können. Ich bin ihr unendlich dankbar.«
»Aber nicht mit ihr verheiratet«, murmelte Vanessa. Sie konnte nicht glauben, dass es so einfach sein sollte.
»Sie hat kurz nach unserer Rückkehr geheiratet.« Er lachte. »Aber nicht mich.« Er hob die Augenbrauen. »Und soweit ich weiß, sind alle Kinder von ihrem Mann.« Ein amüsiertes Funkeln trat in seine Augen.
Vanessa konnte diesem herrlichen blauen Blitzen nicht länger widerstehen. Sie setzte Tuhafeni auf den Boden und ging auf Kian zu.
Dann war Isolde
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