Namibische Nächte (German Edition)
anderer Mann getan hatte.
Kurz darauf streckte Vanessa sich auf einem Bett in einer Art Hütte aus. Alle Häuser für die Gäste waren rund, und darüber thronte, wenn auch kleiner als das in dem großen Farmhaus, ein Buschgrasdach über einem spitz aufragenden Dachstuhl aus Rundhölzern.
Sie blickte hinauf in die Spitze, während sie auf dem Bett lag und langsam die Müdigkeit fühlte, die sie bisher vor lauter Aufregung gar nicht wahrgenommen hatte.
Aufregung. Ja. Und was für eine.
Kian.
Wie konnte er einfach so auftauchen und sie durcheinander bringen? Sie wurde fast wütend. Ja, sie hatte gewusst, dass er Namibier war. Natürlich hatte sie das gewusst. Sie gab ein hohles Geräusch von sich. Es war schließlich alles gewesen, wovon er zum Schluss gesprochen hatte. Aber sie war nicht seinetwegen hergekommen. Nein, war sie nicht. Sie hätte niemals hier gebucht, wenn sie gewusst hätte, dass es Kians Farm war. Er hatte nie gesagt, wie die Farm hieß, die Farm seiner Eltern, auf der er aufgewachsen war. Er hatte immer nur von unserer Farm gesprochen.
Unfair war das. Einfach nur unfair. Sie wollte hier Urlaub machen, sich erholen, und dann . . . dann war plötzlich alles anders.
Um sich von ihren Gedanken abzulenken, die sie nur immer mehr beunruhigten, ließ sie ihren Blick durch die Hütte schweifen, nahm die afrikanischen Wandteppiche, Holzfiguren und Bilder in sich auf. Die Hütte war sehr ansprechend gestaltet, die afrikanischen Farben Sand, Rotbraun und Schwarz – vielleicht war es auch Dunkelbraun – dominierten.
Hier wirkte nichts wirklich modern. Zwar war dies sicher keine Hütte, wie sie die Einheimischen bewohnten, aber sie vermittelte eindeutig, dass man in Afrika war. Allerdings in einem vergleichsweise luxuriösen Afrika, mit am Schlafzimmer angeschlossenem Bad.
Vanessas Gedanken kehrten erneut zu Kian zurück. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass er einfach so vor ihr gestanden hatte. Ihr Herz war losgerast wie einer dieser Rennvögel, als wären nicht sieben Jahre vergangen, als hätten sie sich gestern erst getrennt, nach einer zärtlichen gemeinsamen Nacht.
Sie atmete tief durch und seufzte. Das war vorbei. Warum dachte sie überhaupt daran? Kian hatte sicher nicht wie ein Mönch gelebt. Er hatte andere Frauen kennengelernt, so wie Vanessa andere Männer kennengelernt hatte. Sie hatten nichts mehr gemeinsam außer ihren Erinnerungen.
Die Umgebung verschwamm. Es war, als würde sie plötzlich davondriften in eine andere Welt, damals . . .
»Kann ich Ihnen helfen?« Blaue Augen in einem braungebrannten Gesicht unter blonden Haaren strahlten Vanessa freundlich an.
Sie konnte es kaum fassen, wie gut der Mann aussah, der sie gerade angesprochen hatte. Es versetzte ihr fast einen Schlag. Gleichzeitig zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Das war ja mal eine ganz neue Anmache. Höflich, zuvorkommend, zurückhaltend – Sie fühlte sich wie in eine andere Zeit versetzt.
»Nein, danke«, erwiderte sie brüsk. »Das schaffe ich schon allein.« Das musste ja ein ganz übler Kerl sein, der so eine hinterlistige Anmachschiene fuhr. Der dachte wohl, nur weil er gut aussah, mussten ihm alle Frauen sofort zu Füßen liegen.
»So geht es aber schneller.« Er packte einfach die Kiste mit dem Regal, das sie gerade gekauft hatte, und hob sie hoch, als würde sie gar nichts wiegen. Dennoch spannten seine Armmuskeln sich sichtbar an, und Vanessa musste zur Seite schauen, um nicht fasziniert darauf zu starren.
»Wohin?«, fragte er lächelnd mit dem Regal lässig auf der Schulter wie ein junger Arnold Schwarzenegger.
Vanessas Arme taten noch immer weh vom Schleppen. Sie konnte jetzt darauf beharren, dass sie es allein schaffen würde oder diesen blonden Siegfried die Arbeit tun lassen und für einen Moment darauf verzichten, eine emanzipierte Frau zu sein. Sie entschied sich für Letzteres. Ihren Stolz konnte sie ein anderes Mal pflegen, wenn es bequemer war.
»Da«, sagte sie, wies auf ihr Auto, das in der hintersten Reihe auf dem IKEA-Parkplatz stand, und ging los. Er konnte das Regal jetzt natürlich auch klauen. Sie drehte sich um. Nein, er lief ihr brav hinterher.
An ihrem Wagen angekommen, packte er das Regal in den Kofferraum und schaute sie dann wieder mit einem so hinreißenden Lächeln an, dass sie am liebsten gestorben wäre – in seinen Armen. Sie räusperte sich. »Vielen Dank«, sagte sie. »Samstags ist es wirklich höllisch, bei IKEA einzukaufen. Es war keine Transportkarre mehr
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