Namibische Nächte (German Edition)
länger als eine Nacht gebucht. Die meisten Gäste fahren nach dem ersten Tag gleich weiter.«
»Ja, ich –« Vanessa legte das Besteck hin. Ihre Hände zitterten, und sie verschränkte sie im Schoß, um es Kian nicht sehen zu lassen. »Ich wollte mich erholen. Einfach nur ausspannen. Ich . . . ich habe in letzter Zeit sehr viel gearbeitet.«
»Hm.« Er nickte. »Wenn du Interesse an einem Game Drive hast, melde dich in der Rezeption. Abfahrt ist heute Nachmittag um vier.« Er drehte sich um und ging.
Vanessa saß unbeweglich da. Früher war ihr Kian nie so dunkel und geheimnisvoll erschienen, jetzt hatte er etwas vom Grafen von Monte Christo . Sie hätte nicht sagen können, was er dachte.
Aber hatte sie das je gekonnt? Wäre dann alles so gelaufen, wie es gelaufen war? Hätte sie es vielleicht voraussehen können?
Nein, hätte sie nicht. Ganz bestimmt nicht. Es war Schicksal gewesen. Zwei Menschen, die füreinander bestimmt waren, und doch nicht zusammenkommen konnten.
Wie die Königskinder.
7
N achdem Vanessa nach dem Essen in ihre Hütte zurückgekehrt war, war sie noch einmal kurz eingenickt. Der Nachtflug war doch anstrengender gewesen, als sie gedacht hatte.
Diesmal erwachte sie von selbst, ohne dass sie jemand weckte. Sie blieb auf dem Bett liegen und starrte in die dunkle Dachspitze.
Es war eine ganz blöde Idee gewesen, nach Namibia zu kommen. Ganz blöd.
Sie zog ärgerlich die Stirn zusammen. Sie hätte überall hinfahren können, warum hatte sie ausgerechnet Namibia gewählt? Sie wusste doch –
Ja, eben, das war es. Sie wusste, dass Kian Namibier war. Sie wusste, dass er dieses Land liebte. Sie wusste, dass er nur hierher zurückgekehrt sein konnte.
Aber sie hatte ihn nicht gesucht, sie hatte nicht damit gerechnet . . . Sie hatte nur das Land kennenlernen wollen, nach dem er sich so gesehnt hatte, damals in Deutschland. Damals hatte sie ihn nicht verstanden. Heute – sie schaute zum Fenster hinaus – heute verstand sie es. Schon seit dem Augenblick, als sie am frühen Morgen unter der aufgehenden Sonne auf dem Flugplatz von Windhoek gelandet waren. Es war unbeschreiblich, hier zu sein.
Kian hatte es ihr beschrieben, er hatte davon geschwärmt, aber Vanessa hatte es sich nicht vorstellen können.
Sie atmete tief durch. Es war vorbei. Lange vorbei. Sie schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Langsam brauchte sie ein bisschen Bewegung. Sie würde einen Spaziergang machen.
Aus dem Farmhaus führte ein Pfad zum Pool hinunter, dort schlenderte sie entlang, und schon auf dem Weg sah sie ein paar kleine Tiere vor sich her huschen, die zum Teil so schnell waren, dass sie sie nicht erkennen konnte. Endlich blieb eins stehen.
Vanessa betrachtete es fasziniert. Es sah aus wie ein kleiner Drache, der Körper war blau, die Beine blau bis grün, der Schwanz, der mindestens genauso lang schien wie der Körper, eher länger, war gelb am Ansatz zur Spitze hin in orange auslaufend und der Kopf knallrot. Die Augen erinnerten ein wenig an Kermit, den Frosch. Der Körper war vielleicht zehn Zentimeter lang, mit dem Schwanz kamen noch einmal über zehn Zentimeter hinzu.
Die farbenfrohe kleine Echse drehte den Kopf, anscheinend, um Vanessa genauer betrachten zu können. Sie schien keine Angst zu haben.
Vanessa lächelte. »Na, du? Du bist ja schön.« Sie trat vorsichtig einen Schritt auf das Tier zu. Immer noch rührte sich das zierliche Wesen nicht. Vanessa beugte sich zu ihm hinunter.
Unglaublich. So etwas hatte sie noch nie gesehen. In Deutschland gab es das vielleicht irgendwo in einem Terrarium. Hier lebte das schöne, bunte Geschöpf unter der Sonne Afrikas, wo es hingehörte.
Auf einmal hörte Vanessa Schritte hinter sich. Nicht so vorsichtig wie die Vanessas verscheuchten sie den kleinen Drachen vom Weg.
»Sie sollten einen Hut tragen. Die Sonne –« Die Stimme brach in dem Moment ab, in dem Vanessa sich umdrehte. »Vanessa«, kam es höchst erstaunt aus einem halbgeöffneten Mund.
»Isolde.« Das hätte sie sich ja denken können. Warum war es ihr bis jetzt nicht eingefallen?
»Vanessa«, wiederholte Isolde und trat lächelnd auf sie zu. »Ich kannte deinen Nachnamen nicht, sonst hätte ich schon bei der Buchung gesehen, dass du es bist.«
Vanessa hob fragend die Augenbrauen.
Isolde lachte. »Ich mache hier so ziemlich alles, was nicht Kian macht. Den Computerkram hasst er, also bleibt das an mir hängen.«
»Ja, Computer mochte er noch nie.« Vanessa versuchte ein Schlucken zu
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