Naminé - Liebe Deinen Feind
Oberin hatte ihr graues Haar zu einem Knoten nach oben gesteckt. Sie trug eine schlichte weiße Robe ohne jeglichen Schmuck. Eine Kette, das Zeichen der Go ttheit, ruhte auf ihrer Brust. Die grauen Augen wirkten kalt, hart.
»Ourea, du weißt, warum du hier bist?«, fragte die Oberin sie nun. Sie faltete ihre Hände ineinander. Diese waren übersäht mit Altersflecken und in ihrem Gesicht ware n schon viele Falten zu sehen. Naminé überlegte, kurz bevor sie antwortete: »Nein. Ich habe keinen blassen Schimmer«, erwiderte sie schließlich. Die Oberlippe der Frau bebte, doch sie beherrschte sich. »Du hast unsere Gottheit beleidigt. Das Heiligtum unserer Religion und dies als Novizin! Weißt du, dass ich dich für das hängen lassen kann?!« Naminé zuckte nur mit den Schultern.
»Dann tut es, wenn Ihr Euch traut! Ich wurde dazu gebracht, gegen meinen Willen in diesen Tempel einzutreten und meine Gefährtin auch!«, gestand sie nun. Die Elbin hatte langsam die Nase voll! Sie wollte zurück zu Sias und nicht mehr Zeit hier in diesem kalten Gemäuer verbringen, in das kein Licht drang.
Clarissa, die Oberin, öffnete die Augen weit, als sie die Worte der Waldelbin vernahm. »Du wagst es, so mit mir zu reden?!«, schrie sie sie an und die Knöchel ihrer Hände traten weiß hervor, als sie diese fest ineinander drückte. Naminé grinste nun und beugte sich leicht zu ihr vor. »Natürlich! Für mich ist diese Religion eine Beleidigung, genau wie für meine Zimmergenossin. Am liebsten würde ich diesen ganzen Schuppen hier abreißen!« Erneut wollte Clarissa etwas sagen, als ganz zaghaft an die Tür geklopft wurde. Nach einigem Zögern ging die Tür nun auf und Farida trat ein. Sie war sehr blass. Naminé, die sich leicht umgedreht hatte, sah hinter ihr Techi stehen.
Die Augen der rothaarigen Elbin huschten unruhig hin und her. »Oberin Clarissa, ein… ein junger Mann wartet in der Halle auf Nami-, ich meine auf Ourea und Kayne«, erklärte die junge Novizin ihr Erscheinen und sah beschämt auf den Boden. »Ein junger Mann?«, fragte Clarissa und sie sah Naminé verwundert an.
Das Herz der Elbin schlug mit einem Mal schneller. »Sias«, flüsterte sie leise. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und lief aus dem Zimmer. Clarissa und Farida riefen ihr etwas nach, doch sie hörte es nicht. Techi warf den beiden Frauen einen spöttischen Blick zu, bevor sie Naminé folgte.
Naminé rannte kreuz und quer durch die Gänge. Ungefähr wusste sie noch, wo die Halle war, durch die sie damals das Kloster betreten hatte. Sie fand den richtigen Gang und stieß die schwere Tür gewaltvoll auf.
Grelles Licht trat ihr entgegen und es blendete sie für einen kurzen Moment, bevor sie die Gestalt erkannte, die mit dem Rücken zu ihr stand und gedankenverloren an einer Pflanze rumzupfte, die es in dieser Halle unzählig gab.
»Sias!« Der schwarzhaarige Elbenjäger zuckte zusammen, als er die Stimme Naminés vernahm. Leicht irritiert drehte er sich zu ihr.
Schneller als er wahrnehmen konnte schlang die junge Elbin ihre Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn. Tränen traten in ihre Augen und sickerten in seine dunkle Kleidung.
Sie schluchzte. Der Ältere umarmte sie erst nach einer ganzen Weile und drückte sie an sich.
Techi stand im Türrahmen und grinste breit. »Na? Holst du uns ab? Habt ihr zwei nun gemerkt, dass diese Idee einfach nur bescheuert ist?«, stichelte sie leicht. Sias seufzte und sah Techi aus blauen Augen ausdruckslos an. »Nicht ganz.«
Naminé drückte sich fester an ihn. Sie hatte ihn so vermisst. Seinen Geruch, seine Stimme…
»Was soll das heißen?«, fragte Techi und ging auf Sias zu. Der junge Mann schob Naminé vorsichtig von sich. Er wischte ihr einige Tränen aus dem Gesicht, bevor er sie sanft auf die Stirn küsste.
»Es gibt ein kleines Problem. Efal zieht nicht mit. Ich will diesen ganzen Schwachsinn abbrechen. Es bringt einfach nichts. Wenn er Zwist säen will, sollte er lieber bei einem der Ratsmitglieder anfangen anstatt euch beide es hier im Kloster versuchen zu lassen«, erklärte er schließlich. »Dann hol uns hier raus! Gib nicht auf das, was Efal sagt! Das sprichst du doch selbst ständig.«
Sias nickte schließlich. »Ja, du hast Recht. Ich konnte ihn dazu bringen, dass ich eine von euch hier rausholen darf.« Sias sah nun Naminé an und lächelte. Techi nickte. Es war ihr klar gewesen, dass er sich für Naminé entscheiden würde.
»Wirklich?«, fragte Naminé ihn nun
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