Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
anderen und sitzen nicht immer den Weibern auf den Röcken wie die Franzosen. Man hat eben den kleinen Preußen aus Paris verjagt, der mit mir lebte; er war ein sehr reicher Junge und sehr sanft, unfähig, irgend jemand ein Übles zuzufügen. Das war eine Niederträchtigkeit, und ich bin ruiniert dadurch ... Und wenn ich mir's recht überlege, so könnte ich mich noch entschließen, ihm nach Deutschland zu folgen.
    Darüber entstand nun ein Wortwechsel, Gaga murmelte mit schmerzlichem Ausdruck in der Stimme:
    Aus ist's, ich habe kein Glück. Vor acht Tagen habe ich die letzte Rate auf mein kleines Häuschen in Juvisy bezahlt. Gott weiß, welche Mühe es mich gekostet hat! Lili mußte mir dabei helfen. Nun ist der Krieg erklärt, die Preußen werden kommen, um alles niederzubrennen ... Wie soll ich in meinem Alter von vorne anfangen?
    Bah, sagte Clarisse, ich mache mir gar nichts daraus; ich werde immer das finden, was ich brauche.
    Es wird sicherlich sehr drollig werden, meinte Simonne. Vielleicht werden sich die Dinge gar zu unserem Vorteile ändern ...; sie malte lächelnd den Gedanken im stillen weiter aus.
    Tatan Néné und Louise Violaine waren der gleichen Ansicht. Sie erzählte, daß sie mit den Militärs sich schon ganz ausgezeichnet unterhalten habe. Oh, es sind brave Jungen, die Soldaten, und fähig, für die Weiber Himmel und Erde in Bewegung zu setzen.
    Da das Gespräch der Damen allmählich sehr laut geworden, ließ Rosa Mignon, die noch immer vor dem Bette auf ihrem Koffer saß, ein leises Pst! vernehmen. Sie hielten, gleichsam erschrocken inne und warfen wieder einen scheuen Blick auf die Tote, als ob diese Bitte zu schweigen von dem Schatten hinter dem Vorhange ausgegangen wäre. Und inmitten dieses tiefen Schweigens, dieser Ruhe der Vernichtung, in der sie gleichsam die Starre der Leiche fühlten, die hinter ihnen ausgestreckt lag, brach von neuem das Gebrüll der Menge unten aus:
    Nach Berlin, nach Berlin, nach Berlin ...
    Doch bald hatten sie alles wieder vergessen.
    Lea de Horn, die einen politischen Salon hielt, in dem ehemalige Minister von Louis Philippe geistreiche Epigramme verfertigten, nahm das Gespräch wieder auf und sagte achselzuckend:
    Welcher Fehler, dieser Krieg! Welch grausamer Irrtum!
    Lucy nahm sofort das Kaiserreich in Schutz. Sie hatte mit einem Prinzen des kaiserlichen Hauses geschlafen; es war daher für sie eine Familiensache.
    Lassen Sie das gut sein, meine Liebe; wir konnten uns nicht länger beschimpfen lassen; dieser Krieg ist eine Ehrensache Frankreichs ... Ich sage das nicht gerade wegen des Prinzen, denn er war ja ein rechter Geizhals. Denken Sie sich: am Abend, bevor er schlafen ging, verbarg er seine Louisdors in den Stiefeln, und wenn wir Bezigue miteinander spielten, setzte er Erbsen ein, weil ich eines Tages die kleine Laune hatte, mich auf den Einsatz zu werfen und ihn einzustecken ... Doch all das hindert mich nicht, gerecht zu sein. Der Kaiser hat recht gehandelt.
    Lea zuckte die Achseln mit überlegener Miene wie jemand, dessen Urteil sich auf die Meinung angesehener Persönlichkeiten stützt. Dann sagte sie mit erhobener Stimme:
    Es ist das Ende. Die Leute in den Tuilerien sind verrückt. Frankreich hätte gestern besser gehandelt, wenn es sie verjagt hätte ...
    Alle unterbrachen sie heftig. Was hatte denn diese Wahnsinnige gegen den Kaiser? Sind denn nicht alle glücklich? Gehen die Geschäfte nicht ausgezeichnet? Niemals hat Paris sich so vortrefflich unterhalten ...
    Gaga entrüstete sich und wurde zornig:
    Schweigt, all das ist blöde. Ihr wißt nicht, was ihr redet ... Ich habe Louis Philippe gesehen. Das war eine lustige Epoche, meine Lieben! Dann kam achtundvierzig, eine saubere Geschichte, ein wahrer Ekel, ihre Republik! Nach der Februarrevolution bin ich fast vor Hunger krepiert, ja, ich, die jetzt zu euch spricht ... Wenn ihr all das gesehen hättet, ihr würdet vor dem Kaiser in die Knie sinken, denn er war unser Vater, ja wahrhaftig, unser Vater ...
    Man mußte sie besänftigen. Dann fuhr sie in einer religiösen Aufwallung fort:
    Oh, mein Gott, verhilf dem Kaiser zum Siege; erhalte uns den Kaiser.
    Alle wiederholten diese Bitte.
    Blanche gestand, daß sie für den Kaiser geweihte Kerzen anzünden werde.
    Karoline, für den Kaiser in Leidenschaft erglüht, war ihm zwei Monate hindurch auf seinen gewöhnlichen Spaziergängen nachgegangen, ohne daß es ihr gelungen wäre, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Die anderen brachen in wütende

Weitere Kostenlose Bücher