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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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war ihre Beziehung sehr offen, und sie schienen nie den Drang zu verspüren, allein zu sein. Die beiden gingen seit ihrer Kindheit in der Familie des anderen ein und aus, aßen zusammen und spielten Mah-Jongg. Ein paarmal brachte Naoko eine Klassenkameradin für mich mit, und wir unternahmen zu viert etwas, gingen in den Zoo, ins Schwimmbad oder ins Kino. Die Mädchen, die sie mitbrachte, waren immer hübsch, aber ein bißchen zu wohlerzogen für meinen Geschmack. Der Umgang mit den etwas rauhbeinigeren Mädchen aus meiner Schule fiel mir leichter. Bei Naokos Schulkameradinnen hingegen wußte ich nie, was in ihren hübschen Köpfen vorging, und ihnen erging es mit mir wahrscheinlich auch nicht viel besser.
    Nach einer Weile gab Kizuki es auf, Verabredungen für mich zu arrangieren, und wir zogen statt dessen zu dritt los. Wir drei: Kizuki, Naoko und ich. Ein bißchen ungewöhnlich, wenn man es sich überlegt, aber so war es am einfachsten und besten. Kam eine vierte Person hinzu, wurde es gleich ungemütlich. Es war wie bei einer Talkshow: ich war der Gast, Kizuki der charmante Gastgeber und Naoko seine Assistentin. Kizuki stand immer im Mittelpunkt und füllte diese Rolle gut aus. Auch wenn er eine sarkastische Ader hatte, so daß Außenstehende ihn häufig für arrogant hielten, war er im Grunde ein rücksichtsvoller und gutmütiger Junge. Er richtete seine Bemerkungen und Witze an Naoko und mich gleichermaßen, so daß sich niemand übergangen fühlte. Wenn sie oder ich länger schwieg, lenkte er das Gespräch geschickt in die entsprechende Richtung und brachte uns zum Reden. Das klingt anstrengend, aber wahrscheinlich fiel es ihm überhaupt nicht schwer, denn er besaß die natürliche Begabung, Situationen einzuschätzen und spontan darauf zu reagieren. Darüber hinaus verfügte er über die seltene Fähigkeit, auch den langweiligsten Bemerkungen interessante Aspekte abzugewinnen, so daß er einem im Gespräch das Gefühl vermittelte, ein außergewöhnlich faszinierender Mensch mit einem außergewöhnlich faszinierenden Leben zu sein.
    Paradoxerweise war er jedoch kein geselliger Typ und hatte in der Schule außer mir keine weiteren Freunde. Ich konnte nie begreifen, warum ein so scharfsinniger, redegewandter Mensch sich mit der beschränkten Welt unserer Dreierrunde zufrieden gab, statt seine Begabung auf ein weiteres Umfeld zu richten. Auch warum er ausgerechnet mich zum Freund erwählt hatte, blieb mir ein Rätsel. Ich war ein unauffälliger, durchschnittlicher Junge, der gerne las und Musik hörte, und besaß keine besonderen Eigenschaften, die Kizukis Aufmerksamkeit erregt haben mochten. Und doch waren wir auf Anhieb Freunde geworden. Sein Vater war übrigens als Zahnarzt eine Kapazität und für seine saftigen Honorare bekannt.
    »Hast du Lust auf eine Verabredung zu viert am Sonntag? Meine Freundin geht auf eine Mädchenschule und kann ein hübsches Mädchen für dich mitbringen«, hatte Kizuki mich gleich bei unserer ersten Begegnung gefragt. Ja, gern, hatte ich geantwortet. So hatte ich Naoko kennengelernt.
    Kizuki, Naoko und ich verbrachten viel Zeit miteinander, aber immer wenn Kizuki das Zimmer verließ und wir zu zweit waren, verstummten Naoko und ich. Wir hatten kein einziges gemeinsames Gesprächsthema. Statt dessen tranken wir Wasser oder spielten mit irgendwelchen Gegenständen herum, die auf dem Tisch lagen. Und warteten darauf, daß Kizuki zurückkam. Erst wenn er wieder im Raum war, wurde das Gespräch fortgesetzt. Naoko war ohnehin nicht sonderlich gesprächig. Auch ich bin ein besserer Zuhörer als Redner und fühlte mich zudem unbehaglich, wenn ich mit ihr allein war. Nicht, daß wir etwas gegeneinander gehabt hätten: wir hatten uns bloß nichts zu sagen.
    Zwei Wochen nach Kizukis Beerdigung sahen Naoko und ich uns zum einzigen und letzten Mal wieder. Wir trafen uns wegen irgendeiner Belanglosigkeit in einem Café, und als die Angelegenheit erledigt war, gab es nichts mehr zu reden. Ich hatte mehrere Themen angeschnitten, aber das Gespräch war jedesmal versandet. Außerdem hatte Naokos Stimme eine gewisse kantige Schärfe, als wäre sie wütend auf mich, aber ich ahnte nicht warum. Danach sahen wir uns nicht wieder, bis zu jenem Tag ein Jahr später, als wir uns zufällig in Tōkyō über den Weg liefen.
    Vielleicht nahm Naoko es mir übel, daß ich und nicht sie der letzte Mensch gewesen war, der Kizuki lebend gesehen und mit ihm gesprochen hatte. Das hätte ich sogar verstehen können,

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