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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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schildern, aber schließlich hatte Naoko offenbar einigermaßen verstanden, was ich zu sagen versuchte. Unsere gemeinsamen Aufreißertouren verschwieg ich ihr jedoch und erzählte nur, daß dieser ungewöhnliche Mann der einzige war, mit dem ich im Wohnheim Umgang pflegte. Währenddessen übte Reiko auf der Gitarre die Bach-Fuge und unterbrach sich nur, um einen Schluck Wein zu trinken oder eine Zigarette zu rauchen.
    »Klingt nach einem merkwürdigen Menschen«, sagte Naoko.
    »Das ist er auch«, erwiderte ich.
    »Aber du magst ihn?«
    »Ich weiß nicht genau. Vielleicht ist mögen nicht das richtige Wort. Er ist eigentlich kein Mensch, den man mag oder nicht mag. Er bemüht sich auch nicht darum, gemocht zu werden. In dieser Hinsicht ist er sehr aufrichtig, kein Schleimer, eher sogar ein Stoiker.«
    »Was redest du da? Einer, der mit so vielen Mädchen schläft, ist doch kein Stoiker.« Naoko lachte. »Mit wie vielen Mädchen hat er geschlafen?«
    »Inzwischen sind es wahrscheinlich um die achtzig. Aber in seinem Fall nimmt die Bedeutung des einzelnen Aktes ab, je größer die Zahl wird, und wenn ich mich nicht irre, ist genau das sein Ziel.«
    »Und das nennst du stoisch?« fragte Naoko.
    »In seinem Fall ja.«
    Naoko dachte einen Moment über das, was ich gesagt hatte, nach. »Ich glaube, der ist noch gestörter als ich.«
    »Das glaube ich auch. Aber er bringt es fertig, seine ganze verzerrte Weltsicht in ein logisches System zu pressen. Er ist unglaublich intelligent. Wenn man ihn hierher brächte, wäre er in zwei Tagen wieder draußen. Weiß ich, kenn ich, ist mir alles bekannt, würde er sagen. So einer ist er. Und so einen respektieren die Leute.«
    »Ich bin wohl das Gegenteil von intelligent«, sagte Naoko. »Ich verstehe überhaupt nicht, was hier geschieht – so wenig, wie ich mich selbst verstehe.«
    »Aber doch nicht, weil du dumm wärst«, sagte ich, »du bist ganz normal. Ich verstehe auch eine Menge an mir selbst überhaupt nicht. Wir sind beide normal.«
    Naoko zog die Füße aufs Sofa und legte das Kinn auf die Knie. »Ich möchte gern mehr über dich wissen.«
    »Ich bin ein Durchschnittsmensch, aus einer Durchschnittsfamilie, mit einer Durchschnittsausbildung, einem Durchschnittsgesicht, ich habe durchschnittliche Noten und durchschnittliche Gedanken im Kopf.«
    »Du bist doch so ein großer Fan von Scott Fitzgerald. Hat der nicht geschrieben, man solle nie einem Menschen trauen, der von sich behauptet, er sei durchschnittlich? Du hast mir das Buch selbst geliehen«, sagte Naoko mit einem verschmitzten Lächeln.
    »Stimmt, aber ich habe mich ja nicht bewußt dafür entschieden, durchschnittlich zu sein. Ich bin wirklich zutiefst davon überzeugt, ein Durchschnittsmensch zu sein. Oder kannst du an mir etwas entdecken, das nicht durchschnittlich ist?«
    »Aber natürlich!« sagte Naoko mit einem Anflug von Ungeduld. »Begreifst du das denn nicht? Hätte ich mit dir geschlafen, wenn es nicht so wäre? Glaubst du vielleicht, ich wäre mit jedem ins Bett gestiegen, nur weil ich so betrunken war?«
    »Natürlich nicht.«
    Naoko musterte eine Zeitlang wortlos ihre Zehen. Da ich nicht wußte, was ich sagen sollte, nahm ich einen Schluck Wein.
    »Und mit wie vielen Mädchen hast du geschlafen?« fragte Naoko leise, als wäre es ihr gerade in den Sinn gekommen.
    »Mit acht oder neun«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Reiko unterbrach ihr Spiel und ließ die Gitarre sinken. »Sie sind doch noch nicht mal zwanzig! Was für ein Leben führen Sie denn bloß?«
    Naoko schwieg und sah mich nur mit ihren klaren Augen an. Ich erzählte Reiko von dem ersten Mädchen, mit dem ich geschlafen hatte – daß ich nicht imstande gewesen war, sie zu lieben, und daß dies zu unserer Trennung geführt hatte. Ich verschwieg auch nicht, daß ich, mit Nagasawa als Mentor, mit einem Mädchen nach dem anderen geschlafen hatte.
    »Ich will ja gar nichts beschönigen, aber ich habe gelitten«, erklärte ich Naoko. »Ich war jede Woche mit dir zusammen, wir haben geredet, aber ich wußte immer, daß dein Herz nur Kizuki gehörte. Das tat weh. Wahrscheinlich habe ich darum mit Mädchen geschlafen, die ich nicht kannte.«
    Naoko schüttelte ein paarmal den Kopf, dann blickte sie auf und sah mich an. »Du hast mich doch damals gefragt, warum ich nie mit Kizuki geschlafen habe? Willst du das immer noch wissen?«
    »Vielleicht solltest du es mir wirklich sagen.«
    »Finde ich auch«, sagte Naoko. »Die Toten bleiben zwar für immer

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