Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
›er sich von keinem unterkriegen lassen wolle, das sei eine Frage der Ehre‹.
Die Partie ging in die Verlängerung.
Als die Rostockfans von der Polizei zum Bahnhof geleitet wurden, achteten die Beamten sorgfältig darauf, keinen zu verlieren. Es musste nicht auch noch nach dem Spiel zu Auseinandersetzungen kommen.
Allerdings wurde ihre Arbeit durch die Mind Watchers beträchtlich behindert, die entlang der Strecke standen und den Fans zuriefen:
»Wollt ihr wirklich, dass eure Kinder solche Bilder sehen?«
»Brutale Spiele verderben den Charakter!«
Auf einem Transparent stand geschrieben: Fußball ist Unterhaltung für Narren .
Norbert Hannemann beobachtete mit einer gewissen Erleichterung, wie sich die Ränge allmählich leerten. Bestimmt war der Schläger schon betrunken ins Stadion gekommen und die Einlasskontrolle hatte das nicht bemerkt. Mit ein bisschen Pech könnte die Sache ziemlich teuer für den Verein werden. Auch die Feuerwerkskörper waren keinem aufgefallen – so etwas durfte einfach nicht übersehen werden!
In seinem Kopfhörer knisterte es.
»Herr Hannemann? Ich glaube, das sollten Sie sich ansehen. Ich bin in der Fankurve von ›Energie‹ und hier sitzt ein Mann in sich zusammengesunken auf seinem Platz. Meiner Meinung nach sieht er verdammt tot aus!«
4
Kriminalhauptkommissar Peter Nachtigall eilte beschwingt und gut gelaunt zum Treffen mit der Nordic-Walking-Gruppe. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass er wirklich durchhalten würde, und nun trieb er schon seit ein paar Monaten konsequent Sport – soweit es sein Beruf eben zuließ. Von einem Waschbrettbauch trennten ihn noch Welten, aber einen solchen strebte er im Grunde auch gar nicht an. Nach der Trennung von Birgit hatte er sich wirklich ziemlich hängen lassen, räumte er in Gedanken ein. Er hatte zu viel und zu gut gegessen, sich dem Selbstmitleid hingegeben. Peter Nachtigall war immerhin fast zwei Meter groß – und wenn man dann zu mager war, sah das doch auch nicht gut aus. Die paar Kilos zu viel standen ihm ganz gut, fand er und sah kritisch an sich herunter. Die Ausdauer hatte sich verbessert und am Gewicht würde er noch arbeiten müssen – sein Trainer meinte immer, es ginge darum, Fett durch Muskelmasse zu ersetzen.
Fröhlich summte er vor sich hin. Er kochte eben leidenschaftlich gern und zu einem guten Essen genoss er gerne ein Glas Wein, oder auch zwei. Immerhin hatte er sich bei Cornelia abgeschaut, wie leicht es war, Fett einzusparen, ohne den Geschmack zu verderben, und nun stand selbst Salat regelmäßig auf seinem Speiseplan.
Dr. Cornelia Stamm hatte sein Leben gründlich geändert, stellte er liebevoll fest. Seit sie ihm diese seltsame schwarze Stelle auf der Haut entfernt hatte, die sich zum Glück als harmloses Muttermal erwies. Kein malignes Melanom! Kein Krebs! Seither fühlte er sich wie neu geboren. Er war jahrelang zu nachlässig mit sich umgegangen – doch nun hatte sein Leben einen neuen Mittelpunkt bekommen. Cornelia riss ihn mit in einen Strudel positiver Energie und ...
Sein Handy vibrierte.
»Nachtigall!«
»Es tut mir leid – hier spricht Norbert Hannemann. Ich fürchte, es gibt einen neuen Fall für Sie. Eine Leiche im Stadion.«
»Ich nehme an, Sie haben schon alles in die Wege geleitet: Absperrung, Arzt usw.?«
»Ja.«
»Ich habe vorhin im Radio von den Krawallen im Stadion gehört. Aber da klang es eher so, als hätten Ihre Kräfte die Ruhe wieder herstellen können.«
»Das konnten wir auch.«
»Ja, aber wenn jetzt ein Toter … Also gut, ich bin gleich da«, Nachtigall räusperte sich, unterdrückte seinen Ärger und wendete den Wagen. Wenn er schon angerufen wurde, wollte er auch Informationen! Doch die musste man diesem Hannemann wohl wie Würmer aus der Nase ziehen. »Wissen Sie, woran er gestorben ist? Alkohol und Prügel?«
»Aus seinem Rücken ragt der Griff einer Waffe.«
Peter Nachtigall betrachtete den Toten nachdenklich. Irgendwie schien ihm, war der Mann für ein Fußballspiel nicht passend gekleidet. Sein blau-weiß gestreiftes Hemd zierte eine Fliege in den unterschiedlichsten Braun- und Orangetönen. Es steckte in einer schlammfarbenen Hose, die über der prominenten Körpermitte von einem Naturledergürtel gehalten wurde. Sein Jackett glich einem hellbraunen, bayerischen Janker. Die dichten, schwarzglänzenden Haare standen senkrecht vom Kopf ab, was bei einer Länge von ungefähr fünf Zentimetern sicher nicht einfach zu erreichen war. Über
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