Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
der Stirn wellte sich, wohl als Reminiszenz an Elvis Presley, eine Locke, fixiert mit Gel oder Spray.
Auf dem Rücken prangte ein großer Blutfleck. »Wie lange mag man brauchen, um die Haare so zu stylen?«, murmelte Michael Wiener vor sich hin und fing sich einen bitterbösen Blick von Nachtigall ein. Der junge, schlanke Mann zuckte zusammen und bedauerte seine Bemerkung sofort. Schließlich wusste jeder im Team, dass Nachtigall respektlose Äußerungen am Fundort einer Leiche nicht ausstehen konnte.
»Was ist das für eine Tatwaffe?«, fragte der Hauptkommissar und deutete auf den transparenten, blauen Kunststoffgriff.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ein Schraubendreher. Das sollte lieber der Rechtsmediziner rausziehen. Was immer es ist, es muss mit großer Kraft in den Körper gerammt worden sein. Es liegt mit dem Griff direkt auf dem Jackett auf«, informierte ihn der Arzt.
»Da muss der Täter aber gut gezielt haben. Es ist doch gar nicht einfach, von hinten so direkt ins Herz zu treffen.«
»Ja. Ich würde denken, er war sofort tot – sonst hätte ja auch jemand was gemerkt. Auf dem Boden hinter seinem Sitz hat sich eine Blutlache gebildet.«
»Was anscheinend auch niemand bemerkt hat. Muss wirklich ein tolles Spiel gewesen sein!«
»Naja – es herrschte zeitweilig ziemliche Aufregung. War echt was los heute«, meldete sich Wiener wieder zu Wort.
»Ach, warst du hier?«
»Ja, hatte aber nur einen Stehplatz.«
»Ich hab im Radio davon gehört«, Albrecht Skorubski sah sich um und zeigte auf die gegenüberliegende Seite. »Den meisten Ärger hat ein Rostocker gemacht. Der ist übers Spielfeld gerannt und hat den Schieri niedergeschlagen. Mann, Mann!«
»Die Kameras haben doch die Fans im Auge behalten, oder?«, wandte Nachtigall sich an Norbert Hannemann.
»Ja, klar. Wir wollten die Randalierer sehen. Ich hoffe, wir können die Typen identifizieren. Solche Spinner! Legen ein Feuer! Was da passieren kann!«
»Und nun haben wir einen Toten. Vielleicht ist unser Mörder auf den Bändern.«
»Schon möglich. Aber es war so ein Tumult, dass solch eine Einzelhandlung möglicherweise gar nicht auffällt.«
»Wissen wir, um wen es sich bei dem Opfer handelt?«
»Ja – das wüsste ich auch gern«, mischte sich aus dem Hintergrund eine neue Stimme ein. Dr. März, der zuständige Staatsanwalt, der gemeinsam mit Nachtigall schon eine Reihe komplizierter Mordfälle bearbeitet hatte, tauchte plötzlich neben dem Einsatzleiter auf.
»Ich wurde auf dem Weg zu meinem Wagen verständigt. Als ob das Spiel nicht schon aufregend genug gewesen wäre, nun auch noch ein Toter! Kennen wir den Namen des Opfers?«
»Ja also, definitiv kein Raubmord. Papiere, Brieftasche, Autoschlüssel – alles da«, erklärte Norbert Hannemann nervös.
»Und, wer ist es?« So schwer konnte es doch nicht sein, eine einfache Frage zu beantworten! Nachtigalls Stimmungsbarometer sank.
»Hans-Jürgen Mehring. Er hat eine kleine Spedition und ein Transportunternehmen für Kleintransporte. Macht auch Umzüge. Weiß ich von meinem Sohn. Der ist mit Mehring nach Leipzig umgezogen.«
»Na gut. Herr Nachtigall, dann gibt es für mich hier nichts mehr zu tun. Wir sehen uns«, damit nickte Dr. März den Anwesenden kurz zu und drehte sich um.
»Albrecht, du bleibst hier, bis das Opfer in die Gerichtsmedizin abgeholt wird, und dann sammelst du alles an Informationen, was wir in unserer Datenbank über ihn haben – und du Michael, lässt dir von den Kollegen die Bänder zur Auswertung geben. Wir sehen uns später im Büro.«
Peter Nachtigall machte sich schweren Herzens auf den Weg, um die Angehörigen zu informieren.
5
Frau Mehring hatte die Übertragung des Spiels im Radio verfolgt, während sie die Kartoffeln fürs Abendessen schälte. Die Beschreibung der Situation im Stadion ließ sie schmunzeln. Da kam ihr Mann heute voll auf seine Kosten – Tumulte in den Blöcken, Spinner auf dem Spielfeld, ein blutender Schiedsrichter, mehr konnte man wohl kaum erwarten. Wahrscheinlich würde er völlig heiser nach Hause kommen, überlegte sie und beschloss, ihm einen Salbeitee mit Honig zu kochen, damit er für die Kundengespräche am Montag wieder gut bei Stimme war. Schließlich hatten nicht alle Menschen hier in der Umgebung Verständnis für einen herumbrüllenden Fan in fortgeschrittenem Alter.
Ein bitterer Zug schlich sich um ihre Lippen. Es war aber auch wirklich zu schade, dass Paul so gar kein Verständnis für die
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