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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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beziehungsweise die Kamera, was Berenike als unangenehm empfand. Mit dem Rücken zum Fernseher setzte sie sich zu den anderen. Die Familie wirkte endlich einmal friedlich. Wie schön.

2.
     
    Lind wie die Lindenblüte
     
    »Kommt schnell!« Eisige Luft drang in Berenikes Salon im Herzen von Altaussee, als an diesem Dienstag, den 30. Jänner, die Tür aufgerissen wurde. Seit Wochen war es nun so frostig, Temperaturen um die minus zehn Grad waren an der Tagesordnung. Berenike hatte in ihrem Lokal alle Hände voll zu tun mit all den Winterurlaubern. Die Zeit mit Jonas war viel zu schnell vergangen und er war wieder abgereist. Mit Jahresanfang war er zum Abteilungsinspektor befördert worden – was hieß, dass er noch weniger Freizeit hatte. Er war jung für so einen Aufstieg, und manch einer neidete ihm den Erfolg, vor allem die weniger erfolgreichen Kollegen.
    Es war später Nachmittag und die Dämmerung fing an, den Ort in Dunkel zu hüllen. Ein Mann, vermummt bis zum schwarzen Lockenschopf, die Haare voll Schnee, stob herein. »Rasch, bevor es ein Unglück gibt!«, rief er, und war wieder weg. Die Worte klangen in Berenikes Ohren nach, während sie schon zur Tür eilte. Sie überlegte, aber die Stimme war ihr nicht bekannt vorgekommen. Nach vier Jahren im Ausseerland kannte sie zwar viele Menschen, aber doch nicht alle. Ein Tourist, wahrscheinlich.
    Während aus dem CD-Player ein Musikstück namens ›Assam Afternoon‹ erklang, knallte die Tür hinter dem Fremden zu. Einen Moment noch war die kalte Luft im Raum zu spüren, sie roch nach Schnee und vermischte sich mit dem Duft von Kerzenwachs und Zimt. Einige Gäste sahen dem Mann unschlüssig nach, die meisten saßen nach den Feiertagen entspannt da, kaum jemand schien die Rufe richtig mitbekommen zu haben. Nur die Katzen waren nicht entspannt. Auf ihrem Weg in den Salon heute früh hatte Berenike wieder eines dieser Flugblätter entdeckt, die in letzter Zeit immer häufiger auftauchten: »Wir vermissen Puppi, unsere 3-jährige Tigerkatze. Hinweise an …« Diesmal hatte es die Familie Schartner erwischt, Berenikes Fast-Nachbarn. Sie seufzte. Seit dem Gespräch mit der jungen Journalistin am Weihnachtsabend war Berenike noch vorsichtiger, was ihre Katzen betraf. Aber einsperren konnte man sie nicht, die Beschwerden der Herren Kater würde niemand aushalten.
    Als Berenike fast bei der Tür war, um draußen nachzusehen, was der Unbekannte gemeint haben mochte, drückte der Wind die Glastür wieder auf. Sie öffnete ganz und ein Kind stolperte ihr entgegen, direkt in sie hinein. Es weinte mit leiser Stimme, die Augen hielt es fast geschlossen. Aus irgendeinem Grund hielt sie das Kind für einen Buben. Es trug einen dicken violetten Anorak, seine Hosen waren bis über die Knie durchnässt und eine blaue Strickhaube war ihm über das linke Auge gerutscht. Es mochte fünf Jahre alt sein, bestenfalls. Endlich öffnete es die Augen und blickte Berenike schief von unten an.
    »Hallo, wer bist denn du?«, fragte sie so sanft sie konnte und beugte sich zu dem Kind hinunter, das aber nicht darauf achtete, sich loswand und davonlief, ziellos durch das Lokal schoss. Gebanntes Schweigen im Raum. Das Kind heulte lauter, hysterischer. »Wie am Spieß«, zeterte eine ältere Frau, Marke Wiener Hofratswitwe von anno dazumal, und schon dieser Satz war die Vorankündigung von Unheil, von weit Schlimmerem als einem heulenden Kind, das seine Eltern verloren hatte.
    Das Kind drehte an der Theke ruckartig um, senkte den Kopf wie ein Stier und rannte zurück zum Eingang, stürmte hinaus, Stille zurücklassend. Nur der eisige Wind fuhr herein und brachte die über der Theke hängende Weihnachtsdekoration aus alten Glaskugeln leise zum Klingen.
    Einen Moment herrschte komplette Stille.
    »Ob was passiert ist?«, raunte die Hofratswitwe.
    »Ah geh, wird scho’ nix sein.« Die Antwort kam kernig von einem der Ausseer Burschen, die gern bei ihr herumlungerten.
    »Das ist hier nicht wie in der Stadt«, meinte ein älterer Einheimischer und blickte Berenike von unten herauf an. »Wir sind weit vom Schuss. Gibt ja keine Durchzugsstraße.«
    »Ah so? Glaubst?«, warf Berenike über die Schulter hin ein. »So wie an dem Abend, wie der Journalist hier gesessen ist, tot und starr?«
    »Ah, geh! Des war ein Einzelfall!«
    Berenike nickte den Männern zu.
    »Pass kurz auf das Lokal auf!«, raunte sie ihrem Kellner Hans zu, der in einen Longyi gekleidet war, eine Art birmesischen Wickelrock für

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