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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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und stampfte mit den Beinen, während sie Jonas zulächelte.
    Krähenkrächzen drang aus der Dunkelheit über dem See, ohne dass man die Tiere sehen konnte, ihr Flügelschlag war zu hören, diesmal mehrstimmig.
    Berenike ging zurück zum Salon und beauftragte ihre Aushilfskellnerin Susi damit, Tee zuzubereiten und in Thermoskannen heraus zu bringen, wenigstens das konnten sie für die Beamten tun. Nun gingen sie herum und schenkten aus. Zimtgeruch stieg in der frostigen Nachtluft auf. Wärmend, wenn schon sonst nichts. Ein paar Schaulustige fanden sich trotz Kälte und später Stunde ein, einige hatten Schier geschultert. Mehrere Burschen lachten rau und bierselig. Auf der anderen Seite der Absperrung erkannte sie Eveline Pechstein, eine Journalistin vom Salzkammergut-Kurier. Berenike duckte sich hinter ein paar Passanten. Nur nicht schon wieder in die Schlagzeilen geraten!
    »Es wird doch niemand vermisst, oder?«, wandte sich einer der Schaulustigen an Inspektor Kain, der mit seiner molligen Statur in der dicken Winteruniform noch voluminöser wirkte. Er zuckte abwehrend mit den Achseln und sah Berenike dabei böse an. »Wir werden es bald genauer wissen.« Damit verschwand er hinter dem Flatterband.
    »Ach.« Berenike schob sich näher an das Geschehen heran. Rasch erzählte sie Jonas von dem Mann, der Alarm geschlagen hatte und dem Kind, das sie zu dem Toten geführt hatte. »Der Mann ist weg, aber das Kind sitzt drinnen im Salon.«
    Er nickte. »Danke, Nike. Ich werd später mit ihm sprechen. Vielleicht hat es was gesehen.«
    Mittlerweile waren zwei Löcher ins Eis geschlagen worden, damit die eingetroffenen Taucher in den See steigen und, was immer sie dort unten fanden, vorsichtig bergen konnten. Die Taucher befestigten lange Seile an ihren Anzügen. »Das brauchen sie zur Sicherheit, um den Weg zurück zu finden«, erklärte Jonas ungefragt und streckte dabei eine Hand nach Berenike aus, »selbst für routinierte Polizeitaucher ist das Bevorstehende eine Aufgabe, die besondere Kraft und Umsicht erfordert.«
    Berenike nickte, während sie die saubere, eisige Luft schnupperte. Jonas ließ sie wieder los.
    »Jojo, des wilde Gjaid holt sich die Leut’«, murmelte ein alter Mann mit verwittertem Gesicht und langem grauen Bart neben ihr. Mit hoher, zitternder Stimme fabulierte er von der Wilden Jagd, von verwünschten Sennerinnen und Geistern, wie sie auf ihren Rössern über den Himmel jagten, und unter schaurigem Gelächter über Gosaugletscher und Traunstein tanzten.
    Berenike steckte die kalten Hände in die Mantelärmel, um sich warmzuhalten, und wandte den Blick wieder zum Eis.
    »Jetzt ist die Zeit gekommen«, kicherte es neben ihr, »wo d’ salige Frau ins Tal steigt, um abz’rechnen. Wer jetzt Schuld auf sich geladen hat … Wer weiß, wer weiß, wen es erwischt.«
    Berenike fuhr herum, aber der bärtige Alte war wie vom Erdboden verschluckt, nur die Luft schien noch von seinen Worten zu zittern.
    Eine Weile stand Berenike stumm da, beobachtete die gefrorene Wasseroberfläche, die Löcher darin. Dann schlug das Wasser in dem kleinen Bereich Wellen, und langsam, ganz langsam wurde etwas hoch gehoben. Etwas Längliches, Rosig-Blasses. Tatsächlich ein menschlicher Körper oder das, was einmal einer gewesen war. Nasse Haare hingen ihm ins Gesicht. Sein Oberkörper tropfte. Sein Körper war ganz und gar nackt, nackt und schutzlos jeder Unbill ausgeliefert. Nackt, dachte es in Berenike, wie man das Wort in einem Wörterbuch nachschlagen würde. Alles an ihm hing lasch herab, auch sein Penis, nur seine Arme wirkten steif, die Hände mit den Handflächen seltsam nach hinten abgewinkelt. Die Haut an den Gelenken sah selbst auf die Entfernung verletzt aus. Um die ebenfalls nackten Beine wand sich etwas, das im Scheinwerferlicht unnatürlich rot schimmerte. Berenike konnte den Fremdkörper nicht recht erkennen, machte unwillkürlich einen Schritt näher an das Geschehen heran. Sie hatte schon wieder die Brille vergessen.
    »Stopp«, erklang die resolute Stimme eines Streifenpolizisten.
    »’tschuldigung«, murmelte Berenike und starrte den Toten an, ohne den Beamten zu beachten. Vorsichtig wurde die Leiche auf eine Plastikplane gelegt. Ein nackter Mann, bewegungslos in all dem zielgerichteten Treiben. Nackt, wehrlos, alleine in seinem Tod, seinem Ende.
    »Ein Seil!«, rief jemand neben ihr. Sie brauchte einen Moment, um die Stimme Jonas zuzuordnen. »Seine Beine haben sich in einem Seil verfangen. Oder waren

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