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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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bereit.

     
    *

     
    Die große Turmuhr der Stadtkirche zeigt 19.20 Uhr.
    Ich stelle mein Töffli auf das Plätzli neben der Konditorei Reber. Dann steige ich, heute schon zum zweiten Mal, die ewig lange Kirchentreppe mit ihren unmöglich flachen Stufen hoch. Angeblich wurde die Stufenhöhe so gewählt, damit in früheren Zeiten auch Pferde die Treppe erklimmen konnten. Und genau so fühle ich mich jetzt: wie ein schnaubender Ackergaul.
    Vor mir geht eine auffallend große, schlanke Dame mit hennagefärbtem, hochgestecktem Haar. Es kann sich nur um Dolores Akert handeln, die SP-Gemeinderätin im Nebenamt. Sobald ich mit ihr auf gleicher Höhe bin, wende ich den Kopf und grüße. Sie bleibt stehen und hebt ihr Gesicht, in dessen Mitte eine markante Nase mit Hexenwarze prangt.
    »Ah, Herr Feller. Guten Abend.«
    »So, ist die Sitzung schon fertig ?«
    »Ja. Wir freuen uns jetzt alle auf einen Apéro riche«, scherzt sie.
    Wir setzen beide den Aufstieg fort und pflegen belanglose Konversation. Ich kenne Frau Doktor Akert schon länger. Sie führt in einem Außenquartier eine eigene Zahnarztpraxis. Ich war bloß einmal ihr Patient, als sie für meinen Zahnarzt eine Ferienvertretung übernommen hatte. Und ich erinnere mich gut an ihre Warze. Während sie mir eine gebrochene Zahnfüllung ersetzte, fixierte ich die ganze Zeit das hässliche Ding auf ihrem Zinken. Ich kann nicht verstehen, dass sie es sich nicht entfernen lässt. Dabei könnte sie auch gleich noch ihren Vornamen ändern.
    Dolores, die Schmerzensfrau. Stellt dieser Name für eine Zahnärztin nicht eine Hypothek dar? Kein Wunder, dass sie bei ihren älteren Patienten den Übernamen Schmerzeli trägt.
    Nebenbei erfahre ich, dass sie nicht nur im Kadettenverein mittut, sondern bereits seit fünf Jahren als Vorstandsmitglied der Kadettenkommission amtet.
    »Haben Sie vor fünf Jahren den heutigen Fulehung gewählt ?« , erkundige ich mich.
    »Ja. Ich war da schon Mitglied der Kommission, als er gewählt wurde. Um Ihnen aber die ganze Wahrheit zu sagen: Ich votierte gegen seine Wahl. Dieser Dummermuth machte mir einen ungehobelten Eindruck. Bekanntlich wurde ich aber überstimmt .«
    »Dummermuth, ein Grobian ?« , frage ich verwundert.
    Frau Akert berichtigt: »Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Feller. Ich hatte keine konkreten Hinweise, dass er zuvor gewalttätig geworden wäre. Es war viel mehr der negative Eindruck, den er auf mich persönlich machte .«
    »Und? Wie macht er seine Sache jetzt ?«
    »Besser als befürchtet und schlechter als erhofft«, meint die Gemeinderätin.
    Wir passieren Stadtkirche und Schule und folgen der Kirchenmauer Richtung Schlosstor. Mein Blick fällt zufälligerweise auf eine bronzene Gedenktafel, die auf Kopfhöhe in die Bruchsteinmauer eingelassen ist. Wem wird hier zeitlose Ehre zuteil? Ich lese und bin überrascht. Nicht einem großen Dichter oder Staatsmann gilt das Andenken. Nein, ausgerechnet einem ehemaligen Lehrer des Progymnasiums. Welchem Pädagogen wird die dankbare Erinnerung seiner Schülerschaft sonst noch in Bronze gegossen? Dass auch Prorektor Alfred Weibel eine ähnliche Tafel bekommen wird, ist jedenfalls ausgeschlossen. Er wird sich bestenfalls mit einem Grabstein begnügen müssen. Und Lilo Barben-Bigler erst recht, hoffe ich.
    »Haben Sie den gekannt ?« , fragt Frau Akert arglos.
    Für wie alt hält sie mich? Der verehrte Pädagoge verstarb im vorigen Jahrtausend.
    Inzwischen sind wir im Schlosshof angekommen. Kaum haben wir den Torbogen durchschritten, stehen wir einer martialischen Kanone gegenüber, deren Rohrmündung bedrohlich auf uns zielt. Auf dem ebenen Teil des gepflasterten Hofes unterhalb des Geschworenengerichts steht die Kadettenmusik in Formation bereit. Das kalte Buffet zum Glück auch. Es ist auf langen Tischen vor dem Richteramt II angerichtet. Aus dem runden Ziehbrunnen lodern die Flammen eines Gasbrenners. Im abschüssigen Teil des Platzes stehen zahlreiche Gäste bereit. Die Damen strapazieren ihre Absätze und die Herren ihre Trinkfestigkeit. Es wird Weißwein aus der Gegend kredenzt. Seeklima und Alpensonne , verspricht die Gravur der Gläser. Ist wirklich drin, was draufsteht?
    Ich danke Frau Akert für das Gespräch, und wir wünschen uns einen schönen Abend. Bereits habe ich nämlich Rolf von Siebenthal erspäht. Ich steuere direkt auf ihn zu. Er zieht mich diskret in eine Mauernische und erkundigt sich nach dem Stand der Ermittlungen.
    »Ich bleibe dran. Jedenfalls scheint

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