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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mein Bier gleich dazu. Sonst müsste ich erneut um die Aufmerksamkeit der überforderten Teilzeitkellnerin kämpfen. Die Freiluftgastronomie unter den schlanken Metallträgern der grünen Großplastik von Schang Hutter findet um diese Zeit breiten Zuspruch.
    »Wie war das Konzert, Jüre ?«
    »Schön .«
    »Was hast du herausgefunden ?«
    »Willst du zuerst das Historische oder das Hysterische hören ?«
    »Das Historische. Prost, Jüre!«
    »Hanspudi. Prost !«
    Jürg Lüthi blättert in den Unterlagen und überfliegt seine Notizen.
    »Also. Der Ausschiesset ist ursprünglich ein reines Schützenfest, das sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Im Laufe der Zeit hat sich der Anlass zum Volksfest entwickelt, wie wir es heute kennen .«
    »Was ist mit dem Fulehung ?«
    »Der war der Zeiger der Schützengesellschaft. Seine Geschichte geht bis auf die Zeit der Burgunderkriege im 15. Jahrhundert zurück. Der Hofnarr Karls des Kühnen soll über die langsamen Berner und die faulen Thunerhunde, die fule Hüng, gespottet haben. Und da wird’s interessant: Als die Krieger in der Schlacht von Murten das Lästermaul in die Finger kriegten, haben sie ihn als Kriegsbeute mit nach Hause geschleppt. Hier haben sie ihn so lange um die Stadtmauer herumgejagt, bis er tot zusammenbrach. Damit erteilte er den Kriegern Satisfaktion .«
    »Hm. Bemerkenswert. Der Narr wurde also schon mal getötet«, kommentiere ich. »Aus Rache, damals. Und heute? Aus welchem Grund wohl?«
    Am Nebentisch schaut mich eine junge Frau verwundert an. Ich muss vorsichtiger sein und spreche leiser.
    »Angenommen, auch Dummermuth hat jemanden bloßgestellt. Könnte sein ungewöhnlicher Tod nicht als vergleichbare Satisfaktion aufgefasst werden ?«
    »Deine Theorie ?« , fragt Jüre.
    »Sein Tod im Narrenkostüm soll öffentliche Aufmerksamkeit wecken. Also muss es sich bei der vorausgegangenen Schmähung ebenfalls um ein Ereignis handeln, das von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Hat sich in letzter Zeit so was Ähnliches ereignet? Kommt dir dazu etwas in den Sinn, Jüre ?«
    Mein Assistent überlegt. Aber es ergeht ihm wie mir selbst: Auf seiner kognitiven Festplatte sind diesbezüglich keine besonderen Vorkommnisse gespeichert.
    »Allerhöchstens das mit dem Stapi«, fügt Jüre dann doch noch hinzu, als ich bereits annehme, dass nichts mehr kommt.
    »Was? Woran denkst du ?«
    »Heute Morgen bei der Fahnenübergabe soll der Fulehung dem Stadtpräsidenten mit dem Schyt eins übergebraten haben. Der hat es angeblich nicht besonders lustig gefunden. Im schütteren Haar seines magistralen Hinterkopfs soll ein kleines Blutgerinnsel gesichtet worden sein«, berichtet mein Assistent.
    »Woher hast du das ?« , frage ich verwundert.
    »Margret Murer hat es kolportiert. Sie hat heute direkt neben mir gestanden und den Einsatz des Schlagstocks beobachtet. Mir selbst ist der kleine Zwischenfall nicht aufgefallen .«
    »Aber Jüre, das gehört doch zur Tradition, dass es der Fulehung auf die Prominenz abgesehen hat. Sollen sich die Herrschaften halt rechtzeitig in Sicherheit bringen«, meine ich. »Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Rolf von Siebenthal darüber so erbost sein könnte, dass er noch am selben Tag den Stadtnarren erschlägt. Nein, nein. Der Stapi hat kein richtiges Motiv. Da muss jemand anderes rasende Wut auf Dummermuth empfunden haben. Was hast du sonst noch herausgefunden, Jüre ?«
    »Die Originalmaske gehört der Kadettenkommission und wird, im Gegensatz zur Gebrauchskopie, im historischen Museum aufbewahrt«, ergänzt er.
    »Wie viele Kopien sind eigentlich vorhanden ?«
    »Ich weiß nicht genau. Wurde kürzlich im Stadtrat nicht über die Beschaffung von Ersatzmasken debattiert ?«
    »Stimmt .«
    Ich glaube, mich an einen entsprechenden Artikel in der Tagespresse erinnern zu können. War da von zwei oder drei Kopien die Rede?
    Mein Assistent fährt fort: »Den Einsatzplan des Fulehungs muss ich dir nicht weiter erläutern .«
    »Doch, bitte«, fordere ich ihn auf. »Vielleicht bringst du mich dadurch auf eine brauchbare Spur .«
    »Wie du willst«, antwortet er und liest: »Er ist zugleich Jäger und Gejagter. Am Montag erscheint er Punkt 5 Uhr auf dem Rathausplatz. Dort schafft er Ordnung für die anschließende Tagwacht der Kadettenmusik.
    »Jäger und Gejagter«, wiederhole ich und überlege.
    Jüre will seinen Vortrag fortsetzten. Aber ich unterbreche ihn erneut, um seiner Formulierung nachzusinnen.
    »Heute hat

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