Narrentod
keiner bestreiten wollen .«
»Was für Gefühle? Welche Mischung ?« , erkundigt sich Geissbühler.
»Was weiß ich. Freude über den Sieg meines Sohnes und Trauer darüber, dass ihm geschiedene Eltern gratulieren, vielleicht?«
»Ich war der Meinung, Sie haben die Scheidung verlangt ?«
»Wir trennten uns in gegenseitigem Einvernehmen .«
»Ja, eben. Da kann doch die Trauer nicht allzu groß gewesen sein. Dass sie sich haben scheiden lassen, kurz nachdem sie den polnischen Vollwaisen adoptiert hatten, lässt eher egoistische Züge vermuten. Im Nachhinein ebendiesen Sohn zu bedauern, wirkt auf mich einigermaßen befremdlich«, sagt der Hauptmann.
»Sie haben ja keine Ahnung, Herr Geissbühler. Sind Sie eigentlich verheiratet ?«
Er lehnt sich zurück und öffnet den Laptop als müsste er seine Sprachlosigkeit überspielen.
»Mein Zivilstand steht hier nicht zur Debatte, Frau Murer«, schnarrt er schließlich zurück.
»Und Sie, Herr Feller? Wissen Sie überhaupt, was es heißt, sich in einer Ehe zusammenzuraufen ?«
Ich ärgere mich ebenfalls über Murers Keckheit, mitten im Verhör persönliche Fragen zu stellen. Haben wir sie doch zu wenig eingeschüchtert? Bin ich zu nett, oder ist der Hauptmann zu wenig böse? Werden wir sie so zu einem Geständnis drängen können? Ich spiele mit ihrem letzten Wort und weiche damit der Frage aus.
»Zusammen zu raufen oder zusammenzuraufen ?«
»Sie verstehen mich schon, lieber Herr Feller .«
Das ist der Augenblick, auf den ich längst gewartet habe. Der ›liebe Herr Feller‹ bläst zur Attacke. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und verringere den Abstand zwischen ihr und mir, während ich rede, Schritt für Schritt.
»Liebe Frau Murer, ich verstehe Sie sogar sehr gut. Ich verstehe Ihren Hass auf Fabian Eichenberger, auf sein Blüemli und ihre beförderte Tochter. Wo mir aber das Verständnis fehlt, ist bei Ihrer Problemlösung. Warum haben Sie ihren Exmann umgebracht, von dem Sie sich bereits auf eine vernünftige Art und Weise getrennt hatten? Warum haben Sie Ihrer ehemaligen Gymerkollegin den Schulfreund entrissen? Warum haben Sie der Ernennung von Melanie Eichenberger zum Kadettenhauptmann nicht den Stellenwert beigemessen, den sie hat: den einer zeitlich limitierten Ehre anlässlich eines Schützenfestes?
Frau Murer, als sie am Montag neben mir auf dem Rathausplatz gestanden und der Fahnenübergabe beigewohnt haben, da ist Ihnen so richtig die Galle hochgekommen. Dort haben Sie beschlossen, dem Trauerspiel ein Ende zu setzen. Sie haben den Entschluss gefasst, Ihren Exmann zu eliminieren. Damit hofften Sie, ihn und seine Familie abzustrafen. Sie schmiedeten den hinterhältigen Plan zu seiner Ermordung. Ihre blinde Wut spielte Ihnen dabei aber einen bösen Streich. In der Schlossbergschule begingen Sie den folgenschweren Fehler: Sie erwarteten Eichenberger und verwechselten ihn mit Dummermuth. Frau Murer, ich frage Sie: Warum nur waren Sie derart außer sich, dass Ihnen dieser fatale Irrtum unterlaufen konnte und Sie blindwütig den Falschen ins Jenseits beförderten ?«
Sie nickt mit starrem Blick und sagt fast tonlos: »Ja, das möchte ich auch wissen .«
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»Gratuliere, Herr Feller. Das kann schon fast als Geständnis durchgehen .«
Hauptmann Geissbühler zeigt sich befriedigt. Das Verhör hat mit Murers letzter Bemerkung beinahe zum Ziel geführt. Als sie gar die Frage stellt, ob sie jetzt verhaftet werde, sind wir uns darüber einig, dass wir noch heute mit der Unterzeichnung ihres Geständnisses rechnen dürfen. Zumindest, was die Attacke auf Dummermuth angeht. Der Mordversuch an Eichenberger wird ihr nicht so leicht zu bewiesen sein. Hier sind medizinische Untersuchungen und chemische Analysen erforderlich. Wenn sie aber erst mal die Strafe für ihre erste Tat absitzt, bleibt uns noch genug Zeit, ihr auch das zweite Vergehen nachzuweisen und von ihr diesbezüglich eine verbindliche Aussage zu erwirken.
»Nein, Frau Murer. Wir nehmen Sie nicht fest. Wir bereiten ein schriftliches Geständnis vor. Das müssen Sie heute Nachmittag hier im Büro unterzeichnen. Danach bleiben Sie bis zur Verhandlung auf freiem Fuß«, antwortet Geissbühler und macht die unglückliche Ergänzung: »Soviel mir bekannt ist, laufen ja keine weiteren Ehemänner herum, für die Sie eine Gefahr darstellen könnten .«
Frau Murer wirkt niedergeschlagen, aber auch irgendwie erleichtert. Dieses Mal reicht ihr der Beamte die Hand zum Abschied. Ich drücke ihr meinerseits
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