Narrentod
besonders mitfühlend die Hand und brumme unbeholfen den Satz in den Bart, dass schon noch alles gut ausgehen werde. So eine blöde, leere Versprechung. Womit wäre das Verbrechen am unglückseligen Dummermuth je wiedergutzumachen?
Damit ist Frau Murer vorerst entlassen. Sie gibt vor, gleich anschließend eine Stadtführung für eine Reisegruppe zu leiten. Darum sei sie froh, dass das Verhör beendet sei, denn sie wolle sich vorher noch rasch in ihre Uniform stürzen, meint sie entschuldigend. Krallt sie sich damit an eine Art Normalität? Ist sie wirklich imstande, jetzt noch eine Führung zu leiten? Jedenfalls gibt sie damit vor, zur Tagesordnung überzugehen.
Kaum hat Frau Murer das Büro verlassen, wird Rolf von Siebenthal durch Geissbühler über die neueste Entwicklung in Kenntnis gesetzt. Er verlangt aber präzisere Details zur Angelegenheit und will uns darum in wenigen Augenblicken hier bei der Kapo aufsuchen.
Der Polizist lässt bereits eine Flasche gekühlten Champagner und drei langstielige Gläser herbringen. Unter welcher Rubrik wird er den kostspieligen Rebensaft abrechnen? Repräsentation? Mitarbeitermotivation? Freud und Leid? Dann schellt das Telefon, und kurz darauf wird unsere Festlaune jäh getrübt.
»Das darf nicht wahr sein !« , ruft der Hauptmann aus.
Wir werden vom Oberarzt darüber informiert, dass bei Fabian Eichenberger gravierende Komplikationen aufgetaucht seien. Leider hätten diese zum Schlimmsten geführt. Kurzum: Auch der zweite Fulehung ist jetzt tot!
Geissbühler und ich schauen uns entgeistert an. Zwar ändert es nichts an unseren Ermittlungsergebnissen. Aber die Tatsache, dass Frau Murer damit als zweifache Mörderin vor Gericht stehen wird, macht uns sprachlos. Jedenfalls muss jetzt die Frage zweifelsfrei beantwortet werden, wann und wie es ihr gelungen ist, ihrem Ex die todbringenden Medikamente zu verabreichen.
»Sie lag die ganze Zeit im Spital, nachdem sie ihren Irrtum erkannt hat. Dort muss sie beschlossen haben, ihr ursprüngliches Ziel weiterzuverfolgen. Während sich das hilfsbereite Spitalpersonal um ihr Wohlergehen kümmerte, hat sie einen vernichtenden Plan geschmiedet«, stellt der Hauptmann fest.
»Unglaublich!«
»Es gibt in der Chronologie der Ereignisse im Grunde genommen nur einen Moment, in dem sich innerhalb der letzten 24 Stunden Murers und Eichenbergers Wege gekreuzt haben«, meint Geissbühler.
»Stimmt. Und zwar im Spital oben«, sage ich.
»Anlässlich des offiziellen Besuchs des Fulehungs im Spital kam es zur Begegnung zwischen dem geschiedenen Paar. Frau Murer wusste aus vergangenen Ehejahren von Eichenbergers gesundheitlichem Problem. Ihr muss es irgendwie gelungen sein, an blutdrucksteigernde Medikamente heranzukommen und diese dem Opfer unbemerkt zu verabreichen. Aber woher hatte sie das Zeug ?« , fragt der Hauptmann.
Da erinnere ich mich an Murers blutleere Bettnachbarin. »Frag mal im Spital nach, ob die bei Eichenberger gefunden Wirkstoffe mit denjenigen in den Medikamenten identisch sind, die Murers Zimmergenossin benötigt. Es würde mich nicht wundern, wenn das bleiche Geschöpf unfreiwillig die Mittel zu einem weiteren Mord beigesteuert hätte .«
»Und wie hätte Murer dem Fulehung das Zeugs verabreichen können ?«
»Ich erinnere mich, dass auf dem gemeinsamen Tischchen zwischen den Betten jede Menge Medikamentenschachteln herumlagen. Falls die entscheidenden Tabletten wasserlöslich sind, ist es denkbar, dass sie Murer im Krankentee aufgelöst hat. Es stand nämlich auch ein Teekrug mit zwei Tassen bereit .«
»Herr Feller, Sie sind ein Genie«, ruft Geissbühler begeistert aus. »Ohne Zweifel hat Eichenberger unter seiner schweren Maske ständig Durst gelitten. Es muss Murer darum keine große Überredungskunst gekostet haben, ihren ahnungslosen Fredi zu einem Schluck Tee zu bewegen .«
Ich skizziere den möglichen Ablauf der verheerenden Ereignisse fertig. »Kurz nach dem Besuch im Spital macht der Spaßmacher seine Aufwartung auf dem Kadettenball. Danach ist es so weit, dass die Tabletten ihre volle Wirkung entfalten. Dass Eichenberger ausgerechnet durch einen Termin mit mir und Jürg Lüthi zusätzlich gestresst wird, tut mir besonders leid. Aber wie hätte ich eine derartige Gefährdung unseres Stadtidols erahnen können? Nachdem er während des Umzugs weder erschossen noch zusammengeschlagen worden war, gab es allgemeine Entwarnung .«
»Das war offensichtlich ein Fehler«, gestand der Hauptmann. »Allerdings
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