Narrentod
Hilfe ein rasches Geständnis herbeizuführen. Ich denke mir das so, dass Sie den netten, verständnisvollen Detektiv spielen und ich den garstigen Cop mime. Sie kennen das Spielchen ?«
»Ja, ja.«
»Umso besser. Dann spielen wir es .«
»Wenn es sein muss …«
»Ich halte es für angezeigt. Überlassen Sie das nur mir. Ich leite und verantworte die Befragung«, sagt der Hauptmann.
»Soll ich meinen Assistenten mitbringen ?«
»Das wird nicht notwendig sein. Eine weitere Person würde unsere Verhörmethode unnötig schwächen .«
»Wenn Sie meinen, Herr Geissbühler. Dann bis gleich.«
*
Es ist 10 Uhr, Margret Murer erscheint pünktlich.
Sie hat sich diesmal nicht in ihre Uniform gestürzt, sondern trägt dunkelgrüne Jeans, einen hellgrünen Pulli und eine rosarote Windjacke mit weißem Fellbesatz an der Kapuze. Die Jacke empfinde ich für eine 42-jährige Mutti als Missgriff. Aber was soll’s. In den nächsten paar Jahren wird sie sowieso nur noch in weiß-rosa gestreiften Knastklamotten hinter hohen Mauern defilieren.
Hauptmann Geissbühler fordert sie unfreundlich auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Er hat ihr zuvor nicht mal die Hand gereicht und verschanzt sich sofort hinter seinem USM -Haller-Schreibtisch. Frau Murers Stuhl verfügt über auffallend kurze Beine und steht deckungslos zwei Meter von der mahagonibraunen Tischplatte entfernt. Mein Platz liegt seitlich, zwischen Hauptmann und Hostess. Ich reiche ihr mit einem verbindlichen Lächeln die Hand und setze mich auf einen ebenso schlichten Stuhl, wie er ihr zur Verfügung steht. So präsentiert sich die Aufstellung bei Spielbeginn. Fast wie beim Schach. Nur dass in unserem Fall eine zusätzliche Farbe eingeführt wird: Grau. Das verkörpere ich. Ich erfülle die Funktion des verständnisvollen Vermittlers zwischen Gut und Böse. Das Spiel kann beginnen.
Gewinner und Verlierer stehen allerdings bereits fest. Dennoch stellt das Verhör eine gewisse Herausforderung dar. Grundlegende Fragen harren einer Antwort: Wird Murer ihre Schuld sofort bekennen? Wird sie ihr Verbrechen an Beat Dummermuth bereuen? Wird sie uns detaillierte Auskünfte über den wahren Tathergang liefern? Kann sie Angaben über Eichenbergers Medikamentenvergiftung machen?
Gleich werden wir es wissen. Nachdem das Mammut seine Mädchenjacke ausgezogen und über die Stuhllehne gehängt hat, setzt es sich wie befohlen auf den unbequemen Stuhl. Mit steifer Körperhaltung, langem Hals, X -Beinen und verschränkten Armen geht es in Abwehrposition.
Hauptmann Geissbühler räuspert sich und stellt die erste Frage. »Nennen Sie uns Name, Vorname, Geburtsdatum und -ort und Ihren momentanen Wohnsitz .«
Brav gibt Margret Murer Auskunft. Sie kennt die merkwürdige Situation, über Dinge ausgefragt zu werden, die eigentlich schon bekannt sind, vom Dienstagabendkrimi.
»Frau Murer. Wo waren Sie gestern, Montag, kurz nach 16 Uhr ?«
»Auf dem Schlossberg.«
»Wo genau?«
»Kurz vor vier stand ich an der Kasse des Schlossmuseums, dann habe ich in der Schule vorbeigeschaut und pünktlich um 16.15 Uhr im Schlosshof eine chinesische Reisegruppe zu einer Stadtführung begrüßt .«
»Was taten Sie an der Museumskasse ?« , fragt der Hauptmann.
»An der Museumskasse habe ich meine Führung für 17 Uhr vorangemeldet .«
»Sonderbar. Normalerweise schließt das Museum um diese Zeit. Das müssten Sie eigentlich wissen«, wendet der Hauptmann ein.
»Richtig. Für mich machen sie aber hin und wieder Ausnahmen«, erklärt Frau Murer.
»Das leuchtet mir nicht ein. Warum melden Sie Ihre Führung erst für 17 Uhr an? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, gleich um 16.15 Uhr das Schloss zu besichtigen, wenn Sie ohnehin direkt davorstanden ?«
»Eigentlich schon. Aber ich habe das herannahende Gewitter im Auge behalten. Über der Stockhornkette türmten sich bereits rabenschwarze Gewitterwolken. Darum hatte ich entschieden, zunächst einen verkürzten Stadtrundgang zu machen und mit der Gruppe erst anschließend das Museum zu besuchen. So hätte es dann keine große Rolle mehr gespielt, wenn unverhofft ein heftiges Gewitter niedergegangen wäre«, erklärt sie.
»Bedauerlicherweise haben Sie sich verrechnet. Kaum hatten Sie den Rundgang gestartet, begann es auch schon zu regnen«, wende ich ein. »Als wir uns auf der Kirchentreppe begegnet sind, goss es bereits aus Kübeln .«
»Da haben Sie leider recht, Herr Feller«, erwidert Murer.
»Und was hatten Sie in der Schule zu suchen ?«
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