Narrentod
Spiegel aufgefallen ist, und habe beschlossen, mir diese Marotte abzugewöhnen. Mit fragwürdigem Erfolg, wie Figura zeigt. In der Nase bohren wäre allerdings schlimmer, tröste ich mich.
»Wir kennen Opfer, Tatort, ungefähre Tatzeit und Tatwaffe«, fasse ich kurz zusammen.
»Alles klar«, resümiert Jüre noch effizienter.
»Wie steht’s mit den Verdächtigen ?« , frage ich.
»Der Kreis der möglichen Täterschaft ist jedenfalls weit zu fassen. Zunächst denke ich an die Lehrer- und Schülerschaft der Handelsmittelschule. Dann dürfen die Schulleitung, das Sekretariat, das Putzpersonal und die beiden Bodyguards nicht vergessen werden .«
Ich stimme zu.
Jüre fährt fort: »Eigentlich kommt aber jedermann infrage. Das Haus steht offen, wie wir schon festgestellt haben .«
»Hm. Wird schwierig«, mache ich und hätte mich beinahe wieder an einer Augenbraue vergangen. »Motive?«
»Keine Ahnung. Ich meine, wer könnte schon ein Interesse daran haben, die Leitfigur des Ausschiessets zu eliminieren? Ist doch völliger Blödsinn .«
»Und doch hat’s jemand getan«, füge ich an. »Erkundige dich mal, in welchen Kreisen die beiden Bodyguards verkehren. Es würde mich nicht wundern, wenn mindestens einer der beiden Kontakte zum Weissen Block pflegte .«
»Hör doch mal mit dem Blockscheiß auf. Da glaubst du doch selbst nicht dran, Hanspudi .«
Als arbeitsloser Schriftsetzer spricht er zwischendurch gern mal Fraktur. Da quakt der Frosch. Ich reagiere hässig. Auch weil er mich gerade so schnöde abgeputzt hat.
»Nein, Jüre, bitte. Besorg dir endlich einen anständigen Klingelton .«
Er nickt mir lächelnd zu, als hätte ich bloß einen Witz gemacht, und flüstert mit zärtlicher Stimme ins Handy: »Schatz ?«
Jetzt ist der bereits sieben Jahre mit derselben Frau verheiratet und tut noch immer so verliebt. Eine Zumutung! Daneben fühlt man sich wie versalzenes Trockenfleisch. Aber er macht’s immerhin kurz, das Telefongespräch.
»Ich dich auch, Schatz«, haucht der Romantiker abschließend.
»Ich dich auch«, äffe ich ihn nach.
Jüre grinst und meint: »Ich weiß, Schatz .«
7
Gute Wetterprognosen für Konzert und Zapfenstreich der Kadettenmusik.
Die empfindlichen Chäsli der Tambouren werden um 20.15 Uhr auf dem Rathausplatz voraussichtlich vom Regen verschont bleiben. Wenn auch morgen das Wetter hält und der Schlussumzug bei strahlendem Sonnenschein durchgeführt werden kann, steht dem diesjährigen Ausschiesset vordergründig nichts im Weg, in die ruhmreiche Geschichte der festfreudigen Alpenstadt einzugehen.
Kaum einer wird auf die Idee kommen, den Todesfall mit dem Oberländer Volksfest in Verbindung zu bringen, wenn am Donnerstag die Todesanzeige für Beat Dummermuth in der Lokalpresse erscheint. Die wahre Identität des Narren ist ohnehin nur einem eingeschränkten Personenkreis bekannt.
Ich gönne mir einen Schluck Bier.
»Jüre, mach dich mal über die historische Bedeutung von Fulehung und Ausschiesset klug. Am besten vereinbarst du dazu einen Termin mit dem Stadtarchivar. Der weiß alles .«
»Oh, super. Dann fragen wir ihn doch gleich, wer der Mörder ist«, scherzt Jüre.
Ich gehe nicht darauf ein.
»Wir müssen abklären, ob die Tat allenfalls so eine Art Symbolmord darstellt. Immerhin wurde das Opfer mit seiner wirkungsvollsten Waffe regelrecht hingerichtet .«
»Hm«, macht mein Assistent nur und schreibt es sich auf.
»Dann kläre auch ab, wie ernst man die Plastikhämmerlitante nehmen muss. Versuch herauszubekommen, inwieweit Frau Murer politische Unterstützung bekommt .«
Mein fleißiger Assistent nickt und notiert.
»Und finde heraus, ob es der Weisse Block tatsächlich auf Tradition, Ruhe und Ordnung in unserem Städtli abgesehen hat .«
»Phu. Ganz schön viel Arbeit«, stöhnt Jüre.
»Stimmt, aber auch ganz schön viel …«, und ich reibe Daumen und Zeigefinger gegeneinander.
Jüre will schon los.
Ich habe aber noch weitere Aufträge.
»Fühle mal den beiden Bodyguards etwas auf den Zahn, Righetto und Viskova ć .«
»Vaskovi ć heißt der«, korrigiert Jüre.
»Genau. Ich kümmere mich derweil um das private Umfeld von Beat Dummermuth .«
»Ach so, du machst selbst auch noch was ?« , kommentiert Jüre trocken. Dann schließt er den Notizblock, steckt den Kugelschreiber ein, das Werbegeschenk einer Regionalbank, und rutscht vom Barhocker.
»Hauptmann Geissbühler erwartet bereits morgen Vormittag einen ersten Zwischenbericht«, sage ich.
»Das
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