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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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heimtückisch erdolcht in Zobten am Berge. Der Kaufherr Neumarkt, überfallen und erschlagen auf der Straße nach Schweidnitz. Der Kaufherr Fabian Pfefferkorn, ermordet auf der Schwelle des Kollegiats von Falkenberg. Seltsame, geheimnisvolle und rätselhafte Todesfälle, abscheuliche, bisher unaufgeklärte Morde ereignen sich in letzter Zeit in Schlesien. Der Bischof muss davon gehört haben. Und Ihr auch.«
    »Es ist uns das eine oder andere zu Ohren gekommen, das will ich nicht in Abrede stellen«, gab der Mauerläufer gleichgültig zu. »Wir haben uns aber darüber nicht sonderlich denKopf zerbrochen, weder der Bischof noch ich selbst. Seit wann ist ein Mord solch ein Ereignis? Es bringt doch dauernd jemand jemanden um. Anstatt ihren Nächsten zu lieben, hassen sich die Leute und sind bereit, einander jeder Kleinigkeit wegen ins Jenseits zu befördern. Jeder hat Feinde, und an Motiven fehlt es nie.«
    »Ihr scheint meine Gedanken zu lesen«, erklärte Hejncze ebenso gleichgültig. »Und Ihr nehmt mir das Wort aus dem Mund. Das alles trifft, oberflächlich betrachtet, auch auf jene unaufgeklärten Mordfälle zu. Anscheinend fehlt es weder an Motiven noch an Feinden, auf die rasch der Verdacht fällt. Einmal ist es ein Streit unter Nachbarn, hier ein Ehebruch, dort eine Familienfehde, es scheint, als solle man meinen, die Schuldigen seien ganz in der Nähe zu finden, dass also alles klar sei. Aber wenn man die Sache aufmerksamer betrachtet . . . dann ist überhaupt nichts klar. Und eben das macht diese Morde zum Ereignis.«
    »Nur das?«
    »Nicht nur. Hinzu kommt noch eine äußerst verblüffende, schier unglaubliche Geschicklichkeit des Mörders . . . oder der Mörder. In allen Fällen erfolgte der Überfall urplötzlich, wie der Blitz aus heiterem Himmel. Der heitere Himmel ist wörtlich zu nehmen. Die Morde geschahen nämlich zur Mittagsstunde. Fast genau zur Mittagszeit.«
    »Interessant.«
    »Genau das habe ich auch gedacht.«
    »Interessant«, wiederholte der Mauerläufer, »ist etwas anderes. Dass Ihr die Worte des Psalms nicht erkennt. Sagt Euch das Wort
sagitta volans in die
nichts? Der Pfeil, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel herniederfährt und den Tod bringt? Sagt Euch der Dämon nichts, der am Mittag zerstört? Das ist seltsam, in der Tat.«
    »Also ein Dämon.« Der Inquisitor legte die gefalteten Hände an die Lippen, konnte aber dennnoch ein sarkastisches Lächeln nicht ganz verbergen. »Ein Dämon geht um in Schlesienund begeht Verbrechen. Ein Dämon und ein dämonischer Pfeil,
sagitta volans in die.
Na, na. Kaum zu glauben.«
    »Haeresis est maxima, opera daemonum non credere«,
entgegnete der Mauerläufer sogleich.   – »Kann es denn angehen, dass ich, ein gewöhnlicher Sterblicher, den päpstlichen Inquisitor daran erinnern muss?«
    »Nein, das kann nicht angehen«, der Blick des Inquisitors wurde kalt und in seiner Stimme war ein gefährlicher Unterton, »das kann keineswegs angehen, Herr von Grellenort. Erinnert mich bitte an nichts mehr. Konzentriert Euch eher darauf, mir auf meine Fragen zu antworten.«
    Der laute Schmerzensschrei wirkte wie ein höhnischer Kommentar zu dieser Äußerung. Doch der Mauerläufer blieb ungerührt.
    »Ich bin nicht in der Lage«, erklärte er kühl, »Euer Hochwürden zu helfen. Obwohl, wie ich bereits erwähnt habe, Gerüchte über die Morde zu mir gedrungen sind, sagen mir die Namen der angeblichen Opfer überhaupt nichts. Ich habe nie von diesen Leuten gehört, die Nachrichten über ihr Schicksal sind für mich etwas Neues. Es scheint mir nicht der Mühe wert zu sein, Seine Eminenz, den Bischof, danach zu fragen. Er wird das Gleiche antworten wie ich. Und er wird eine Frage hinzufügen, die zu stellen ich mich nicht erkühne.«
    »Aber erkühnt Euch doch. Es droht Euch doch nichts.«
    »Der Bischof würde fragen: Haben jene Genannten, jener von Bielau, jener Pfefferkorn, jener Czambor oder Bambor, oder wie er heißt, die Aufmerksamkeit des Heiligen Officiums verdient?«
    »Der Bischof«, antwortete Hejncze ohne zu zögern, »würde eine Antwort bekommen. Das Heilige Officium hatte gegenüber den Genannten die
suspicio de haeresi
. Einen Verdacht auf prohussitische Sympathien. Auf Empfänglichkeit für ketzerische Einflüsse. Auf Kontakte zu böhmischen Abtrünnigen.«
    »Ha! Diese Unwürdigen. Aber wenn sie ermordet worden sind, hat die Inquisition doch keinen Grund, sie zu beweinen.Der Bischof, wie ich ihn kenne, würde zweifellos sagen, das sei ein

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