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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ketzer und ein Gottloser ist. In seinen elenden Versen huldigt er dem schlechtesten Geschmack des Pöbels, man weiß wirklich nicht, was die an ihm finden, warum sie seine primitiven Verse für besser halten als meine . . . ich wollte sagen, als unsere einheimischen. Diesen Vagabunden sollte man davonjagen, soll er doch in seine Provence zurückkehren, wir brauchen hier keine Vorbilder fremder Kulturen!«
     
    ». . . er hat verschwiegen, dass er einen Bruder im Ausland hat, in Böhmen. Und das hat er verschweigen müssen, denn sein Bruder war vor dem Jahre neunzehn Diakon von St. Stefan inPrag, jetzt dient er als Priester, aber in Tábor, bei Prokop, trägt einen Bart, liest die Messe unter freiem Himmel, ohne Albe und Ornat, und erteilt die Kommunion in beiderlei Gestalt. Wieso, frage ich mich, verschweigt ein guter Katholik, dass er so einen Bruder hat? Kann, so frage ich mich, ein guter Katholik überhaupt so einen Bruder haben?«
     
    ». . . und dann hat er gerufen, dass der Propst eher sein eigenes Ohr sieht als einen Zehnten von ihm, und die Pest solle über diese viehischen Popen kommen, die Hussiten müsse man auf sie hetzen, die sollten so schnell wie möglich aus Böhmen herkommen. Das hat er gerufen und alle Reliquien verflucht. Und dann sage ich noch, dass er ein Dieb ist, eine Ziege hat er mir gestohlen . . . Er sagt, das stimmt nicht, das ist seine Ziege, aber ich kenne meine Ziege, denn die hat, merkt wohl, einen schwarzen Fleck am Ohr . . .«
     
    »Ich, Herr, klage die Magda an . . . meine Schwägerin. Weil sie eine schamlose Hure ist . . . In der Nacht, wenn ihr Kerl sie im Bett besteigt, dann faucht und seufzt und stöhnt und schreit sie, miaut wie eine Katze. Und wenn’s nur in der Nacht wär’, aber woher denn, die ist auch bei Tage zugange, wenn sie denkt, dass es keiner sieht . . . Dann wirft sie die Hacke hin, hält sich am Zaun fest und ihr Kerl schlägt ihr den Rock bis zum Rücken hoch und fickt sie wie ein Dreschflegel . . . Pfui, so eine Schande! . . . Und meinem Kerl, das seh ich, glänzen die Augen so, dass er sich die Lippen leckt . . . Da sag’ ich zu ihr, halt dich an die Sitten, du Schamlose du, fremden Mannsbildern den Kopf verdrehen. Darauf sie: Besorg’s deinem Kerl, wie es sich gehört, dann guckt er sich auch nicht nach anderen um oder spitzt die Ohren, wenn andere ihre Wolle krempeln. Und dann sagt sie noch, sie denkt gar nicht dran, beim Lieben leise zu sein, weil ihr das wohl tut, und wenn ihr was wohl tut, dann stöhnt sie und schreit. Und weil der Pfarrer in der Kirche gesagt hat, so ein Vergnügen ist Sünde, da muss er entwederdumm oder toll geworden sein, denn Vergnügen kann keine Sünde sein, wo doch der Herrgott die Sachen so gemacht hat. Wie ich dann der Nachbarin davon geredet habe, meint die, solch eine Rede ist nichts anderes als Hiresie oder wie das heißt, und dass ich die Hure anzeigen soll. Und so klag ich sie halt an . . .«
     
    ». . . da sagt der, in der Kirche da beim Altar, das kann nicht der Leib Christi sein, denn selbst wenn Jesus so groß war wie die ganze Kirche da, würde der Leib nicht für alle Messen ausreichen, weil die Priester schon längst alles selbst gefressen hätten. So redet der, mit genau solchen Worten, ich will gleich tot umfallen, wenn ich lüge, so wahr mir Gott und das heilige Kreuz helfen mögen. Aber wenn sie ihn schon zum Scheiterhaufen führen und verbrennen, dann bitte ich untertänigst, dass seine zwei Morgen am Bach mir gehören . . . Es heißt ja immer, Verdienste werden angerechnet . . .«
     
    »Dzierżka, die Witwe des Zbylut von Schalkau, die nach dem Tod ihres Mannes den Namen in ›de Wirsing‹ geändert hat, hat die Herde ihres Mannes übernommen und handelt mit Pferden. Schickt sich das, dass sich eine Frau mit Unternehmen und Handel beschäftigt? Uns Konkurrenz . . . das heißt guten Katholiken, Konkurrenz macht? Wieso geht es der eigentlich so gut. He? Wo es anderen Leuten nicht gut geht? Weil sie den böhmischen Hussiten Pferde verkauft! Den Häretikern!«
     
    ». . . erst kürzlich ist auf dem Konzil zu Siena beschlossen und durch königliche Edikte bestätigt worden, dass jeder Umgang mit den hussitischen Böhmen verboten ist, dass, wer mit den Hussiten Handel treibt, mit Verlust von Besitz und Leben bestraft werden soll. Sogar dieser polnische Heide Jagiełło straft mit Ehrlosigkeit, Bann, Verlust von Würde und Privilegien diejenigen, die sich mit den Ketzern gemein machen und ihnen Blei, Waffen,

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