Narrenturm - Roman
Brauen über den kalten Augen verliehen ihm ein ernstes Aussehen, sie waren der Grund dafür, dass er älter aussah, als er in Wirklichkeit war.
»Von Bischof Konrad, nicht wahr?«, vermutete er. »Ihr seid Herr . . .«
»Von Grellenort«, erinnerte ihn der Mauerläufer.
»Selbstverständlich.« Gregor Hejncze bedeutete dem jungen Mädchen mit einer langsamen Handbewegung, den Tisch abzuräumen. »Birkhart von Grellenort, Vertrauter und Berater des Bischofs. Bitte nehmt Platz.«
Der Gefolterte im Keller wimmerte, schrie dann wild und schrill auf. Der Mauerläufer setzte sich. Der Inquisitor wischte sich die Fettreste vom Kinn.
»Der Bischof hat, wie es scheint, Breslau verlassen«, sagte er nach einer Weile. »Er ist verreist?«
»Euer Hochwürden sagen es.«
»Gewiss nach Neisse? Um Frau Agnes Salzwedel zu besuchen?«
»Seine Eminenz«, der Mauerläufer zuckte bei der Erwähnung des ängstlich gehüteten Namens der neuesten Mätresse des Bischofs nicht mit der Wimper, »Seine Eminenz informiertmich für gewöhnlich nicht über solche Details. Ich frage auch nicht danach. Wer seine Nase zu tief in die Infuln steckt, riskiert, sie zu verlieren. Und mir ist meine Nase lieb.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber es geht mir nicht um eine Affäre, sondern um die Gesundheit Seiner Eminenz. Bischof Konrad steht nicht mehr in der Blüte seiner Jahre, er sollte also ein Übermaß an zarten Aufregungen vermeiden . . . Es ist kaum eine Woche her, dass er Ulrike von Rhein beehrt hat. Dazu noch die Besuche bei den Benediktinerinnen . . . Ihr wundert Euch, Herr Ritter. Es ist Sache des Inquisitors, Dinge zu wissen.«
Aus dem Keller drang ein Schrei, brach ab und ging in Röcheln über.
»Es ist Sache des Inquisitors, Dinge zu wissen«, wiederholte Gregor Hejncze. »Daher weiß ich auch, dass der Bischof nicht nur durch Schlesien reist, um Ehefrauen, junge Witwen und Nonnen zu besuchen. Bischof Konrad bereitet neuerlich einen Zug gegen Braunau vor. Er versucht, Przemko von Troppau und Herrn Albrecht von Kolditz zum Bündnis zu bewegen. Die Waffenhilfe des Herrn Puta von Czastolovice, des Starosten von Glatz, zu erlangen.«
Der Mauerläufer gab weder einen Kommentar dazu ab noch schlug er die Augen nieder.
»Bischof Konrad scheint es nicht zu stören«, fuhr der Inquisitor fort, »dass König Sigismund und die Reichsfürsten etwas ganz anderes beschlossen haben. Dass die Fehler der vorigen Cruciaten sich nicht wiederholen dürfen. Dass man überlegt und ohne Euphorie an die Sache herangehen sollte. Dass man sich darauf vorbereiten muss. Bündnisse und Allianzen schließen, die nötigen Mittel dazu sammeln. Die mährischen Herren auf unsere Seite ziehen. Und sich bis dahin aller Abenteuer enthalten, bei denen Waffen im Spiel sind.«
»Seine Eminenz Bischof Konrad«, sagte der Mauerläufer nach längerem Schweigen, »muss sich nicht nach den Reichsfürsten richten, in Schlesien ist er ihnen gleichgestellt . . . wenn er nicht sogar höher steht. Der gute König Sigismund hingegenscheint recht beschäftigt zu sein . . . Das Bollwerk der Christenheit liefert sich Scharmützel mit den Türken an der Donau. Er betet um ein neues Nikopol. Vielleicht versucht er auch, die Schläge zu vergessen, die er vor drei Jahren von den Hussiten bei Deutsch-Brod einstecken musste, vielleicht versucht er zu vergessen, dass er von dort geflohen ist. Aber er erinnert sich wohl noch gut daran, denn irgendwie hat er es nicht sehr eilig mit einem neuen böhmischen Feldzug. Da fällt Bischof Konrad, und Gott sieht es, die Aufgabe zu, Schrecken unter den Ketzern zu verbreiten. Euer Hochwürden wissen doch:
Si vis pacem, para bellum!
«
»Ich weiß auch, dass«, der Inquisitor hielt dem bohrenden Blick mühelos stand, »
nemo sapiens, nisi patiens.
Aber lassen wir das. Ich hatte etwas für den Bischof. Ein paar Fragen. Aber da er verreist ist . . . Da ist nur schwer etwas zu machen. Denn ich kann wohl nicht darauf zählen, dass Ihr, Herr Grellenort, mir diese Fragen beantwortet, nicht wahr?«
»Das kommt auf die Fragen an, die Euer Hochwürden zu stellen geruhen.«
Der Inquisitor schwieg eine Weile, es schien, als warte er darauf, dass der Gemarterte im Keller erneut schrie.
»Es geht um jene seltsamen Todesfälle«, sagte er, als der Schrei verklungen war, »jene rätselhaften Morde . . . Herr Albrecht von Bart, ermordet in der Nähe von Strehlen, Herr Peter von Bielau, getötet irgendwo bei Heinrichau. Herr Czambor von Heißenstein,
Weitere Kostenlose Bücher