Narrenturm - Roman
aussieht.«
»Sollte mir«, Gregor Hejncze ließ sich durch den Spott des anderen nicht beirren, »schließlich jener
sagitta volans
in die Hände fallen, jener selbsternannte Dämon, das Werkzeug Gottes . . . Dann wird dieser keineswegs im Martyrium, auf das er gewiss seine Hoffnungen setzt, enden, sondern im Narrenturm, hinter drei Türen sicher verwahrt. Denn im Narrenturm ist Platz für Narren und Verrückte.«
Auf der Treppe zum Verlies, aus dem schon seit längerer Zeit keine Schreie mehr gedrungen waren, waren schlurfende Schritte zu hören.
Kurz darauf betrat ein dürrer Dominikaner den Saal. Er näherte sich dem Tisch und verbeugte sich so tief, dass seine von bräunlichen Flecken übersäte Kopfhaut in der Tonsur zu sehen war.
»Wie steht es?«, fragte Hejncze mit sichtlichem Widerwillen. »Bruder Arnulf? Hat er endlich gestanden?«
»Er hat gestanden.«
»
Bene.
Mir wurde langsam langweilig.«
Der Mönch hob die Augen. Darin stand kein Abscheu. Auch keine Langeweile. Es war klar, dass ihn die Prozedur im Rathauskeller weder gelangweilt noch sein Missfallen erregthatte. Ganz im Gegenteil. Es war klar, dass er gern wieder von vorne begonnen hätte. Der Mauerläufer lächelte dieser brüderlichen Seele zu. Der Dominikaner erwiderte das Lächeln nicht.
»Ja, und?«, drängte der Inquisitor.
»Die Bekenntnisse sind aufgeschrieben. Er hat alles gesagt. Angefangen mit der Anrufung und Herbeirufung des Dämons, über die Theurgie und Beschwörung bis hin zu den Tetragrammen und zur Dämonomagie. Er hat auch den Inhalt des Teufelspaktes und die Zeremonie bei der Unterzeichnung angegeben. Er hat die Personen beschrieben, die er während der Sabbate und schwarzen Messen gesehen hat . . . Er hat uns aber nicht verraten, obwohl wir uns sehr bemüht haben, an welchem Ort die magischen Bücher und Grimuarien versteckt sind . . . Aber wir haben ihn gezwungen, die Namen der Leute anzugeben, für die er Amulette angefertigt hat, darunter tödlich wirkende Amulette. Er hat auch gestanden, dass er mit teuflischer Hilfe unter Anwendung von Urim und Thurim ein Mädchen verführt und es gezwungen hat, ihm zu Willen zu sein . . .«
»Was schwatzest du da, Bruder«, knurrte Hejncze. »Was erzählst du mir hier von Dämonen und Mädchen? Die Namen der taboritischen Spione und Emissäre! Die Kontakte mit Böhmen! Die Kontaktstellen! Die Orte, an denen Waffen und Propagandamaterial gelagert sind! Die Namen der Angeworbenen! Die Namen der Sympathisanten der Hussiten!«
»Davon«, stotterte der Mönch, »hat er nichts gesagt.«
»Also«, Hejncze stand auf, »dann nehmt ihr ihn euch morgen noch einmal vor. Herr von Grellenort . . .«
»Erlaubt mir noch einen Moment.« Der Mauerläufer wies mit den Augen auf den dürren Mönch.
Der Inquisitor scheuchte den Mönch mit einer ungeduldigen Geste fort. Der Mauerläufer wartete, bis er hinausgegangen war.
»Ich wollte meinen guten Willen beweisen«, sagte er. »Ich verlasse mich darauf, dass das Geheimnis unter uns bleibt, und was diese geheimnisvollen Morde anbelangt, erlaube ich mir, wenn Ihr gestattet, Euer Hochwürden zu raten . . .«
»Sagt jetzt bitte nur nicht«, Hejncze trommelte, ohne den Blick zu heben, mit den Fingern auf den Tisch, »sagt nicht, dass die Juden daran schuld sind und Urim und Thurim verwendet haben.«
»Ich würde raten . . . zwei Personen festzusetzen . . . und genauestens zu befragen.«
»Namen.«
»Urban Horn. Reinmar von Bielau.«
»Den Bruder des Ermordeten?« Gregor Hejncze runzelte die Stirn, aber nur ganz kurz. »Ha! Kein Kommentar, kein Kommentar, Herr Birkhart. Denn Ihr scheint schon wieder entschlossen, mir die ungenügende Kenntnis der Schrift vorzuwerfen, diesmal ist es die Geschichte von Kain und Abel. Diese beiden also. Steht Ihr mir mit Eurem Wort dafür?«
»Das tue ich.«
Eine Weile maßen sie sich mit bohrenden Blicken. Ich finde die beiden, dachte der Inquisitor. Und zwar schneller, als du denkst. Lass das nur meine Sorge sein.
Meine Sorge wird sein, dachte der Mauerläufer, dass du die beiden nicht lebend findest.
»Gehabt Euch wohl, Herr von Grellenort, der Herr sei mit Euch.«
»Amen, Euer Hochwürden.«
Der Apotheker Zacharias Voigt stöhnte und wimmerte. Man hatte ihn in der Zelle des Rathauskerkers in eine Ecke geworfen, in eine Mulde, in der sich das von den Wänden herabsickernde Wasser sammelte. Dort war das Stroh verfault und nass. Der Apotheker konnte sich jedoch keinen anderen Platz suchen, er war kaum
Weitere Kostenlose Bücher