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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ritters ließ sich nicht zum Stehen bringen.
    Auf der Lichtung befanden sich Leute, Pferde, ein ganzer Tross. Reynevan sah einige Pilger, ein paar Franziskaner in braunen Habiten, mehrere Bogenschützen, einen dicken Soldaten, ein Pferdegespann vor einem mit einer schwarzen, geteerten Plane bedeckten Wagen. Einen Mann auf einem Rappen, der einen Mantel mit Biberfellkragen und eine Biberfellmütze trug. Der Mann hatte Reynevan ebenfalls entdeckt und machte den Soldaten und den Bogenschützen auf ihn aufmerksam.
    Der Inquisitor, dachte Reynevan erschrocken, bemerkte aber im selben Moment, dass er sich geirrt hatte, und erinnerte sich dann. Er hatte diesen Wagen und diesen Mann mit der Biberfellkappe und dem Pelzkragen schon gesehen. Wer das war, hatte ihm Dzierżka de Wirsing auf dem Hof der Gastwirtschaftgesagt, bei der sie mit ihren Pferden Halt gemacht hatte. Das war der Steuereinnehmer.
    Während er den mit der schwarzen Plane bedeckten Wagen betrachtete, fiel ihm ein, dass er dieses Vehikel später noch einmal gesehen hatte. Als ihm auch die Umstände dieser Begegnung in den Sinn kamen, wollte er sogleich Reißaus nehmen, schaffte es aber nicht. Bevor er sein vorwärts drängendes und unruhig den Kopf bewegendes Pferd wenden konnte, waren auch schon Bewaffnete herangeprescht, hatten ihn umringt und ihm den Weg zum Wald abgeschnitten. Als er sah, dass er einigen gespannten Armbrüsten als Zielscheibe diente, ließ Reynevan die Zügel fahren und hob die Hände.
    »Ich bin nur aus Zufall hier!«, rief er laut. »Irrtümlich! Ohne böse Absichten!«
    »Das kann jeder behaupten«, sagte der Steuereinnehmer im Biberpelz, der herangeritten war. Er bedachte ihn mit einem finsteren Blick an, musterte ihn dann eingehend, so aufmerksam und argwöhnisch, dass Reynevan mit dem Schlimmsten und Unvermeidlichsten rechnete und verstummte. Dass ihn nämlich der Steuereinnehmer wiedererkannte.
    »Holla, holla! Haltet ein. Ich kenne diesen Junker!«
    Reynevan schluckte. Dies war wohl ganz entschieden der Tag, um alte Bekanntschaften zu erneuern. Denn wer ihn da gerufen hatte, war der Goliarde, den er bei den Raubrittern in Schönau kennen gelernt hatte, derselbe, der das hussitische Manifest verlesen und sich später mit Reynevan im Käshaus versteckt hatte. Er war nicht mehr jung, trug ein Wams mit einer Baskine mit Zackenmuster und eine spitze, rote Kapuze, unter der schon stark von Grau durchsetzte Ringellocken hervorsahen.
    »Ich kenne diesen jungen Mann gut«, wiederholte er und ritt näher heran. »Er stammt aus gutem, adeligem Geschlecht. Er nennt sich . . . Reinmar von Hagenau.«
    »Vielleicht ein Nachkomme des berühmten Poeten?« Die Miene des Steuereinnehmers erhellte sich etwas.
    »Nein.«
    »Warum verfolgt er uns? Warum folgt er unserer Spur? He?«
    »Was für einer Spur?«, fragte der rot gekleidete Goliarde rasch und lachte laut. »Seid Ihr blind, oder was? Er ist geradewegs aus dem Wald gekommen. Wenn er uns verfolgt hätte, wäre er auf dem Weg geritten, den Spuren folgend.«
    »Hmmm, das ist wohl wahr. Und Ihr kennt Euch, sagt Ihr?«
    »Fast so gut wie Freunde«, bestätigte der Goliarde fröhlich. »Ich kenne doch seinen Namen. Und er meinen. Er weiß, dass ich Tybald Raabe heiße. Na, sagt schon, Junker Reinmar, wie heiße ich?«
    »Tybald Raabe.«
    »Seht Ihr?«
    Angesichts dieses nahezu unwiderlegbaren Beweises hüstelte der Steuereintreiber, rückte seine Biberkappe zurecht und befahl den Soldaten, sich zurückzuziehen.
    »Vergebt, hmm . . . Es mag scheinen, als wäre ich zu vorsichtig . . . Aber ich muss auf der Hut sein! Das ist unabdingbar. Also, Herr Hagenau, Ihr könnt . . .«
    ». . . mit uns reisen«, beendete der Goliarde, der Reynevan zuvor heimlich zugezwinkert hatte, freudig den Satz. »Wir reisen nach Wartha. Gemeinsam. Denn in Gesellschaft reist es sich angenehmer und . . . sicherer.«
     
    Der Tross kam auf dem holprigen Waldweg derart langsam voran, dass das Fußvolk, die vier Pilger mit ihren Wanderstäben und die vier Franziskaner, die einen kleinen Wagen zogen, dem Gespann ohne weiteres folgen konnten. Die vier Pilger hatten, einer wie der andere, eine blaurote Nase, was zeigte, dass sie dem Trunke und anderen Jugendsünden nicht abgeneigt gewesen waren. Die Franziskaner waren junge Leute.
    »Die Pilger und die Minderbrüder wollen auch nach Wartha«, erklärte ihm der Goliarde. »Zu der Heiligenfigur auf dem Berge, wisst Ihr, zur Madonna von Wartha . . .«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn

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