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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Stadt und vom Herzogtum weit entfernt. Glaube mir, du hast dort nichts verloren. Jetzt nicht mehr. Ist das klar?«
    Reynevan nickte. Es war ihm klar, er war aber nicht in der Lage, dies einzugestehen.
    »Also jeder geht seines Weges.« Der Prinz zog die Zügel an und wendete das Pferd. »Du musst dir selbst helfen.«
    »Noch einmal Dank. Ich bin dein Schuldner, Bolko.«
    »Nicht der Rede wert.« Wołoszek winkte ab. »Ich hab’s dir doch gesagt, um der alten Studienfreundschaft willen. Ach, was waren das doch für Zeiten, in Prag . . . Leb wohl, Reinmar.
Bene vale.
«
    »
Bene vale
, Bolko.«
    Kurz darauf verklang auf der Straße der Hufschlag des Oppelner Zuges; zwischen den Birken verschwand der dunkelbraune Kastilianer, der Reynevan trug, bis vor kurzem noch Eigentum Heinrich Hackeborns aus Thüringen, der nach Schlesien gekommen war und den Tod gefunden hatte. An der Weggabelung legte sich das Geschrei der Elstern und der Eichelhäher allmählich, und die Amseln begannen zu singen.
    Noch war keine Stunde vergangen, da fing der erste Fuchs an, Kunz Aulocks Gesicht zu benagen.
     
    Die Ereignisse auf der Straße nach Schloss Stolz wurden   – für ein paar Tage wenigstens   – zu einer Sensation, einem politischen Ereignis und einem beliebten Gesprächsthema. Gerüchte verbreiteten sich. Herzog Johann von Münsterberg ging einige Tage mit umwölkter Stirn einher, neugierige Höflinge plauderten aus, er habe sich mit seiner Schwester, der Gräfin Euphemia, überworfen, weil er ihr, was wenig Sinn mache, die Schuld an allem zuschob. Die Fama berichtete, die Dienerin der Frau Adele von Sterz habe ordentlich eins hinter die Ohren bekommen   – wegen ihrer Fröhlichkeit, ihres Geplauders und Gelächters, in einem Moment, als ihrer Herrin keineswegs zum Lachen zumute gewesen sei.
    Die Hackeborns von Priebus kündigten an, sie würden die Mörder des jungen Heinrich kriegen, und sollten sie sie auchunter der Erde hervorholen. Die schöne und temperamentvolle Jutta von Apolda, hieß es, bekümmere der Tod ihres Verehrers überhaupt nicht.
    Junge Ritter machten sich an die Verfolgung der Täter und galoppierten unter Hörnerklang und Hufgedonner von Schloss zu Schloss. Diese Verfolgungsjagd glich eher einem Picknick und hatte auch Folgen, die einem solchen ähnelten. Einige, etwa Schwangerschaften und Aussendung von Brautwerbern, zeigten sich erst erheblich später.
    Münsterberg erhielt Besuch von der Inquisition, aber das, was dieser brachte, erfuhren selbst die neugierigsten und sensationslüsternsten Schwatzbasen jenseits der Mauern des Dominikanerklosters nicht. Andere Nachrichten und Gerüchte machten schnell die Runde.
    In Breslau, in der Kirche zu St. Johannes dem Täufer, betete Kanonikus Otto Beess inbrünstig am Hauptaltar, er dankte Gott und senkte sein Haupt auf die gefalteten Hände.
    In Kniegnitz, einem Dorf in der Nähe von Lüben, dachte die alte, gramgebeugte Mutter von Walter de Barby an den herannahenden Winter und den Hunger, der sie jetzt, wo sie ohne Hilfe und Beistand war, unweigerlich noch vor der Erntezeit dahinraffen würde.
    In Nimbsch, in der Schenke »Zur Glocke«, ging es einige Zeit ziemlich hoch her. Wolfher, Morold und Wittich Sterz, und mit ihnen Dieter Haxt, Stefan Rotkirch und Jens von Knobelsdorf, genannt der Uhu, schrien, fluchten und stießen wüste Drohungen aus, während sie ein Viertel nach dem anderen tranken, eine Maß nach der anderen leerten. Die Dienerschaft, die die Getränke herbeitrug, wurde vor Schreck ganz klein, als sie die Beschreibung der Torturen hörte, welche die Zechbrüder in Zukunft einem gewissen Reynevan von Bielau angedeihen lassen wollten. Als der Morgen kam, verbesserte eine ungeahnt nüchterne Bemerkung Morolds die allseitige Laune. »Es gibt nichts Böses«, behauptete Morold, »das sich nicht doch noch zum Guten wenden kann.« Da Kunz Aulock der Teufel geholthatte, blieben die tausend rheinischen Gulden Tammo von Sterz’ in der eigenen Tasche, nämlich in Sterzendorf.
    Vier Tage später drang diese Nachricht auch nach Sterzendorf.
     
    Die kleine Ofka Baruth war sehr, aber wirklich sehr unzufrieden. Und sehr böse auf die Hausmeisterin. Ofka war ihr noch nie mit Sympathie begegnet, viel zu oft hatte ihre Mutter es der Hausmeisterin überlassen, Ofka zu Tätigkeiten zu zwingen, die sie keineswegs mochte   – besonders Brei zu essen und sich zu waschen. Heute aber hatte es sich die Hausmeisterin mit Ofka endgültig verdorben   – sie hatte

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