Narrenturm - Roman
den Wagen ausräumen. Wir nehmen das Geld, und dann schnell weg von hier.«
Er trat an das Gefährt heran und zerrte an dem mit Tuch verkleideten Türchen aus Weidengeflecht. Das Türchen gab einen Zoll breit nach, dann schloss es sich wieder. Es war klar, dass jemand es von innen zuhielt. Buko fluchte und zog stärker. Aus dem Innern ertönte ein heller Schrei.
»Was ist das denn?«, staunte Rymbaba. »Piependes Geld? Vielleicht hat der Steuereinnehmer Mäuse eingenommen?«
Buko bedeutete ihm mit einer Geste, ihm zu helfen. Zu zweit zerrten sie mit solcher Kraft an dem Türchen, dass es herausbrach, und mit dem Türchen zogen die Raubritter die Person aus dem Wageninneren, die die Tür zugehalten hatte.
Reynevan seufzte. Und stand da wie vom Donner gerührt.
Denn diesmal konnte es auch nicht den leisesten Zweifel daran geben, wer diese Person war.
In der Zwischenzeit hatten Buko und Rymbaba die Plane mit Messern aufgeschlitzt und zogen aus dem mit Pelzwerk ausgeschlagenen Wageninneren ein zweites Mädchen hervor,blondhaarig wie die Erste, ebenso zerzaust, genauso gekleidet, in eine grüne
cottehardie
mit weißen Ärmeln, nur wenig jünger, kleiner und rundlicher als das erste. Eben jene Jüngere, Rundlichere neigte zum Wimmern, jetzt, wo Buko sie ins Gras stieß, begann sie auch noch zu schluchzen. Die Erste saß schweigend da, hielt immer noch das Wagentürchen in den Händen und verbarg sich dahinter wie hinter einem hölzernen Schild.
»Beim Stab des heiligen Dalmastus . . .«, seufzte Kuno Wittram. »Was ist das denn?«
»Nicht das, was wir wollten«, stellte Tassilo de Tresckow nüchtern fest. »Scharley hatte Recht. Wir hätten uns erst vergewissern und dann angreifen sollen.«
Buko von Krossig krabbelte aus dem Wagen. Er warf Kleider und Fetzen, die er dort gefunden hatte, auf die Erde. Seine Miene brachte deutlich zum Ausdruck, wie seine Suche ausgefallen war. Jeden, der noch nicht sicher war, ob und was Buko gefunden hatte, musste eine Salve deftiger Flüche überzeugen. Die gesuchten fünfhundert Gulden waren nicht in dem Wagen.
Die Mädchen rückten zusammen und hielten sich in ihrer Angst eng umschlungen. Die Größere zog ihre
cottehardie
bis zu den Knöcheln herab, als sie bemerkte, dass Notker Weyrach gierig auf ihre hübschen Waden starrte. Die Kleinere schluchzte.
Buko knirschte mit den Zähnen und umfasste den Griff seines Messers so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Sein Gesicht war wutverzerrt, zweifellos ging ihm Schreckliches im Kopf herum. Huon von Sagar bemerkte es sofort.
»Man muss den Tatsachen ins Gesicht sehen.« Er lachte. »Du hast es verpfuscht, Buko. Ihr alle habt es verpfuscht. Das ist wirklich nicht euer Tag. Daher rate ich euch, nach Hause zu reiten. Und zwar schleunigst. Bevor ihr noch einmal Gelegenheit dazu habt, Dummheiten zu begehen.«
Buko fluchte, und diesmal stimmten auch Weyrach, Rymbaba,Wittram, ja sogar Woldan von Nossen unter seinen Verbänden in den Fluch mit ein.
»Was sollen wir mit den Huren machen?« Buko tat, als bemerke er sie erst jetzt. »Umlegen?«
»Vielleicht besser flachlegen?« Weyrach lachte wollüstig. »Herr Huon hat schon Recht, dies ist nicht unser Tag. Vielleicht sollten wir ihn auf besondere Art beenden. Wir nehmen die Huren mit, suchen uns einen Heuschober, damit wir’s bequemer haben, und dort vögeln wir sie beide durch. Was meint ihr?«
Rymbaba und Wittram kicherten, aber eher unsicher. Woldan von Nossen stöhnte unter seinen blutigen Verbänden. Huon von Sagar schüttelte den Kopf.
Buko machte einen Schritt auf die Mädchen zu, diese duckten sich und klammerten sich aneinander. Die Jüngere weinte.
Reynevan ergriff Samson, der sich gerade anschickte einzuschreiten, am Ärmel.
»Wagt es ja nicht!«, sagte er drohend.
»Was?«
»Wagt es ja nicht, sie anzurühren. Denn das kann böse Folgen für euch haben. Das ist ein Edelfräulein, und nicht irgendein dahergelaufenes Mädchen. Das ist Katharina von Biberstein, die Tochter Johann von Bibersteins, des Herrn auf Stolz.«
»Bist du sicher, Hagenau?«, beendete Buko von Krossig das lange und tiefe Schweigen. »Irrst du dich auch nicht?«
»Er irrt sich nicht.« Tassilo de Tresckow hob ein im Wagen gefundenes Geldsäckchen mit einem gestickten Wappen, einem roten Hirschgeweih auf goldenem Grund, hoch und zeigte es allen.
»Tatsächlich«, staunte Buko. »Bibersteins Zeichen. Welche ist es?«
»Die Größere, Ältere.«
»Ha!« Der Raubritter stemmte die
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