Narrenturm - Roman
ausgeraubt haben? Ich werde ihn euch zeigen.«
Die Raubritter waren sehr verwundert, doch für die Miene,die Scharley und Samson machten, eine treffende Bezeichnung zu finden war schwierig, denn auch die Wendung »vom Schlag gerührt« erschien zu schwach dafür. Selbst im Auge Huon von Sagars glomm plötzliches Interesse auf. Der Albino, der bisher alle, Samson ausgenommen, angesehen hatte, als seien sie durchsichtig, begann jetzt, Reynevan mit einem aufmerksamen Blick zu mustern.
»Den Weg hierher zum Kahlschlag«, spottete Buko von Krossig, »hast du uns nur gezeigt, weil wir dir mit dem Strick gedroht haben, Hagenau. Und jetzt willst du uns freiwillig helfen? Woher diese Sinnesänderung?«
»Das ist meine Sache.«
Tybald Raabe. Die hässliche Tochter von Stietencron. Mit durchgeschnittenen Kehlen. Unten, tief im Schlamm. Schwarz von Krebsen, die sich über sie hergemacht hatten. Von Egeln. Von sich windenden Aalen. Und Gott weiß, wovon noch.
»Das ist meine Sache«, wiederholte er.
Er brauchte nicht lange zu suchen. Binse,
juncus,
wuchs am Rande der feuchten Wiese in großen Büscheln. Er fügte einen Stengel Hederich, mit trockenen Schuppen, hinzu. Dreifach verknotete er das Ganze mit einem Halm der Segge.
Eins, zwei, drei
Segge, Binse, Hederich
Binde zusamene . . .
»Sehr gut!« Der weißhaarige Magier lachte. »Bravo, junger Mann. Aber es ist ein bisschen schade um die Zeit, denn ich möchte so schnell wie möglich zurück nach Hause. Daher erlaube ich mir, ohne dir nahe treten zu wollen, ein wenig zu helfen. Ein wenig nur. Für einen Groschen. Nur so viel, damit, wie der Dichter sagt, die Macht die Macht mächtiger macht.«
Er neigte seinen Stab und beschrieb damit schnell einen Kreis.
»Yassar!«
, sagte er mit kehliger Stimme.
»Qadir al-rah!«
Durch die der Kraft des magischen Spruches begann die Luft zu zittern, und einer der Wege aus dem Steubernhau wurde heller, sympathischer, einladender. Das war viel schneller geschehen, als wenn man das Gebinde allein eingesetzt hätte, beinahe auf der Stelle, und der vom Wege ausstrahlende Schimmer war bedeutend stärker.
»Dort entlang«, bedeutete Reynevan den mit offenen Mäulern dastehenden und gaffenden Raubrittern. »Dies ist der Weg.«
»Der Weg nach Kamenz.« Notker Weyrach hatte sich als Erster wieder gefasst. »Gut für uns. Und auch für Euch, Herr von Sagar. Das liegt in derselben Richtung wie das Haus, zu dem es Euch so zieht. Auf die Pferde,
comitiva!
«
»Da sind sie«, meldete Hubertl, den sie als Kundschafter vorausgeschickt hatten, und beruhigte sein ungeduldig tänzelndes Pferd. »Da sind sie, Herr Buko. Ein Trupp, gemächlich dahinziehend, auf dem Weg nach Wartha. Etwa zwanzig Leute, darunter Schwerbewaffnete.«
»Zwanzig«, wiederholte Woldan von Nossen scheinbar andächtig. »Hmmm . . .«
»Was hast du denn erwartet?« Weyrach sah ihn an. »Was hast du denn gedacht, wer den Steuereinnehmer und sein Gefolge kaltgemacht und versenkt hat, von den Franziskanern und den Pilgern ganz zu schweigen? He? Der kleine Däumling etwa?«
»Und das Geld?«, fragte Buko ernst.
»Der Wagen ist da.« Hubertl kratzte sich hinterm Ohr. »Die Geldkassette . . .«
»Gut! Dort lang rollt der Batzen. Weiter, ihnen nach!«
»Seid Ihr sicher«, ließ sich Scharley vernehmen, »dass das die Richtigen sind?«
»Ihr, Herr Scharley, wenn Ihr schon was sagt . . .« Buko maß ihn mit den Augen. »Ihr tätet besser daran, uns zu sagen, ob wir auf euch zählen können. Auf dich und deine Begleiter. Werdet ihr uns helfen?«
»Und was bekommen wir dafür?« Scharley betrachtete angestrengt die Wipfel der Kiefern. »Was sagt Ihr zu einem gleichen Anteil, Herr von Krossig?«
»Einen für euch drei.«
»Einverstanden.« Der Demerit feilschte nicht, setzte jedoch, die Blicke von Reynevan und Samson richtig deutend, flink hinzu: »Aber unbewaffnet.«
Buko winkte ab, dann nahm er die Streitaxt vom Sattel, eine mächtige, breite Schneide auf einem leicht gebogenen Stiel. Reynevan sah, wie Notker Weyrach prüfte, ob der Morgenstern an seiner Kette richtig über dem Griff schwang.
»Hört zu,
comitiva « ,
sagte Buko. »Obgleich das wohl fast nur Geschmeiß ist, sind es doch zwanzig Mann. Also müssen wir mit Köpfchen vorgehen. Wir machen es so: Etwa eine Stadie von hier, das weiß ich, führt der Weg über eine kleine Brücke über ein Bächlein . . .«
Buko hatte sich nicht geirrt. Der Weg führte tatsächlich über eine kleine Brücke, unter
Weitere Kostenlose Bücher