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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gleich mit.« Der Magier stand auf. »Ich bin müde, diese blödsinnige Jagd durch die Wälder war mir zu anstrengend, als dass ich mir dieses idiotische Geschwätz noch länger anhören könnte. Ich wünsche allen eine ruhige Nacht.«
    Buko von Krossig spie unter den Tisch.
    Der Abgang des Magiers und der Frauen war das Signal für ein wüstes Gelage und Besäufnis. Die
comitiva
grölte lauthals nach mehr Wein, die Mägde, die den Trank hereinbrachten, bekamen eine reichliche Portion Tätscheleien, Grapschereien, Kniffe und Püffe ab und rannten mit roten Köpfen und schluchzend zurück in die Küche.
    »Nach der Wurst gebührt uns ein Trunk!«
    »Auf uns!«
    »Wohlsein!«
    »Es möge nützen!«
    Paszko Rymbaba und Kuno Wittram legten einander den Arm um die Schultern und begannen zu singen. Weyrach und Tassilo de Tresckow stimmten in den Chor ein.
    Meum est propositum in taberna mori,
    ut sint vina proxima morientis ori;
    tunc cantabunt letius angelorum chori:
    »Sit Deus propitius huic potatori.«
    Buko von Krossig betrank sich sinnlos. Mit jedem Kelch Wein wirkte er merkwürdigerweise nüchterner, von Trinkspruch zu Trinkspruch wurde er trübsinniger, schwermütiger und merkwürdigerweise bleicher. Er hockte mit finsterer Miene da, die Hände umschlossen den Messkelch, und ließ Scharley nicht aus den Augen.
    Kuno Wittram schlug im Takt mit dem Becher auf den Tisch, von Nossen wiegte seinen bandagierten Kopf und stotterte vor sich hin. Rymbaba und de Tresckow brüllten.
    Bibit hera, bibit herus,
    bibit miles, bibit clerus,
    bibit ille, bibit illa,
    bibit servus cum ancilla,
    bibit velox, bibit piger,
    bibit albus, bibit niger . . .
    »Hoho! Hoho!«
    »Buko, Bruder!« Paszko taumelte, schlang Buko die Arme um den Hals und drückte ihm seinen feuchten Schnurrbart auf. »Ich trinke auf dein Wohl! Lass uns fröhlich sein! Das ist doch mein Verlöbnis mit der Biberstein. Die gefällt mir! Dauert nicht lange, dann lade ich euch zu mir auf die Hochzeit ein, und wenn schon, dann auch zur Taufe, da werden wir erst loslegen!«
    Ein Hoch dem Pflock, wird er erst groß,
    passt er in jeden Weiberschoß . . .
    »Sei vorsichtig«, raunte Scharley Reynevan zu, die günstige Gelegenheit nutzend. »Es hat den Anschein, als könnten wir Hoffnung schöpfen.«
    »Ich weiß«, antwortete Reynevan leise. »Falls es nötig sein sollte, nimm mit Samson die Beine unter die Arme. Kümmere dich nicht um mich . . . Ich muss zu dem Mädchen. In den Turm . . .«
    Buko stieß Rymbaba zurück, aber Paszko gab nicht auf.
    »Reg dich nicht auf, Buko! Frau Formosa hatte schon Recht, dass du Bibersteins Tochter geraubt hast, war für ’n Arsch. Aber ich hab euch aus der Patsche geholfen. Jetzt ist sie meine Braut, bald ist sie meine Frau, die Sache ist bereinigt, darin sind wir uns einig! Ha, ha, das reimt sich sogar, ach du meine Fresse, wie so ’n Poet. Buko! Komm, lass uns trinken! Lass uns lustig sein, hoho! Ein Hoch dem Pflock, wird er erst groß . . .«
    Buko stieß ihn zurück.
    »Ich kenne dich«, sagte er zu Scharley. »Schon in Schönau hab ich mir das gedacht, aber jetzt bin ich mir ganz sicher, und ich weiß auch, woher und wann das war. Ich kenne deine Visage, auch wenn du damals in einem Franziskanerhabit gesteckt hast, gerade ist mir wieder eingefallen, wo ich dich gesehen habe. Auf dem Marktplatz in Breslau, im Jahre achtzehn, an jenem denkwürdigen Montag im Juli.«
    Scharley antwortete nicht, er blickte dem Raubritter kühn in die blinzelnden Augen. Buko drehte seinen Messkelch in den Händen.
    »Und du«, er heftete seine Augen fest auf Reynevan, »Hagenau, oder wie auch immer du in Wirklichkeit heißt, weiß der Teufel, vielleicht bist auch du ein Mönch oder der Bankert eines Priesters, vielleicht hat dich Herr Johann Biberstein auch in den Turm von Stolz sperren wollen, weil du aufsässig und ein Unruhestifter bist. Ich hatte schon unterwegs so eine dunkle Ahnung. Ich hab’ sehr wohl bemerkt, wie du das Mädchen angesehen hast, ich hab’ mir gedacht, du wartest auf eine Gelegenheit, dich an Biberstein zu rächen und willst seiner Tochter ein Messer zwischen die Rippen stoßen. Aber die Rache ist deine Angelegenheit, und die fünfhundert Gulden meine, ich hab’ dich die ganze Zeit über im Auge behalten, bevor du dir das Geißlein geschnappt hättest, hättest du deinen Kopf vergeblich auf den Schultern gesucht. Aber jetzt«, sagte der Raubritter gedehnt, »wenn ich deine Visage so betrachte, dann denke ich, vielleicht

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