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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ging um die Vermählung mit Königin Euphemia, Sigismunds Schwägerin, des böhmischen Wenzels Witwe. Bekanntlich ist daraus nichts geworden, Jagiełło hat Sonka Holszańska vorgezogen, aber das wusste man damals noch nicht. König Władisław Jagiełło empfahl, ich sollte mit dem Luxemburger alles bereden, hauptsächlich die Aussteuer. Also bin ich hingeritten. Aber nicht nach Pressburg und nicht nach Buda, sondern nach Mähren, wo Sigismund gerade zum nächsten Kreuzzug gegen seine ungehorsamen Untertanen aufbrach, mit der Absicht, Prag einzunehmen und die hussitische Häresie in Böhmen endgültig auszurotten.
    Als ich hinritt, und ich bin zu Sankt Martin dort eingetroffen, gestaltete sich Sigismunds Kreuzzug gar nicht vorteilhaft, denn das Heer des Luxemburgers war ein wenig geschwächt. Die Mehrzahl der vom Landvogt Rumpold angeführten Lausitzer Soldaten war schon heimwärts gezogen und hatte sich damit begnügt, das Land um Chrudim herum zu verwüsten. Auch das schlesische Kontingent, bei dem sich, unter uns gesagt, unser vorheriger Gastgeber und Zechbruder, Herzog Konrad Kantner, befand, war schon nach Hause zurückgekehrt. Auf dem Marsch nach Prag unterstützten den König eigentlich nur Albrechts Ritterschaft aus Österreich und das mährische Heer des Bischofs von Olmütz. Tja, allein an ungarischer Reiterei hatte Sigismund mehr als zehntausend Mann . . .«
    Zawisza schwieg und blickte in das knisternde Feuer.
    »Ob ich es wollte oder nicht«, fuhr er dann fort, »ich musste an diesem Kreuzzug teilnehmen, um mit dem Luxemburger Jagiełłos Heirat aushandeln zu können. Und mir verschiedene Dinge anzusehen. Sehr unterschiedliche Dinge. Solche, wie die Eroberung von Polička und das Gemetzel nach der Eroberung.«
    Die Knechte und der Knappe saßen regungslos da, vielleicht schliefen sie auch. Zawisza sprach mit leiser und monotoner Stimme. Einschläfernd. Besonders für jemanden, der die Geschichte schon kannte. Oder aber an den Ereignissen teilgenommen hatte.
    »Nach dem Fall von Polička zog Sigismund nach Kuttenberg. Žižka versperrte ihm den Weg, schlug ein paar Angriffe der ungarischen Reiterei zurück, aber als die Nachricht eintraf, die Stadt sei durch Verrat genommen worden, zog er sich zurück. Die Königlichen ritten nach Kuttenberg hinein, im Triumphgefühl des Sieges . . . Ha, ha, sie hatten Žižka bezwungen, Žižka selbst war vor ihnen geflohen! Und da beging der Luxemburger einen unverzeihlichen Fehler. Obwohl ich ihm davon abriet und auch Filippo Scollari . . .«
    »Heißt das Pippo Spano? Der berühmte Florentiner Condottiere?«
    »Unterbrich mich nicht, Junge. Trotz Pippos und meiner Vorhaltungen gestattete König Sigismund, überzeugt, dass die Böhmen Hals über Kopf geflohen waren und erst in Prag Halt machen würden, den Ungarn, in der Gegend auszuschwärmen und, wie er es nannte, Winterquartiere zu suchen, denn es herrschte strenger Frost. Die Magyaren zerstreuten sich und feierten ihr Freudenfest mit Raubzügen, der Vergewaltigung von Jungfrauen, dem Abbrennen von Dörfern und der Ermordung derjenigen, die sie für Ketzer oder deren Anhänger erklärten. Also jeden, der ihnen über den Weg lief.
    In der Nacht leuchtete der Himmel vom Feuerscheinwider, tagsüber war er qualmverhangen, und in Kuttenberg feierte der König und hielt Gericht. Dann, am Morgen des Dreikönigstages, traf plötzlich die Nachricht ein: Žižka zieht heran. Žižka war nicht geflohen, er hatte sich nur zurückgezogen, sein Heer umgruppiert und verstärkt, und jetzt zieht er gegen Kuttenberg mit der ganzen Streitmacht von Tabor und Prag, er ist schon in Kaňko, schon in Nieboridy! Und nun? Was taten die tapferen Deutschordensritter auf diese Nachricht hin? Als sie sahen, dass die Zeit nicht ausreichte, die in der Umgegend verstreute Armee zu sammeln, liefen sie davon, ließen viel Ausrüstung und Beute zurück und zündeten die Stadt hinter sich an. Pippo Spano gelang es eine Weile, die Panik niederzuringen, und er stellte eine Formation auf, auf halbem Wege zwischen Kuttenberg und Deutsch-Brod.
    Der Frost ließ nach, es war bewölkt, grau und nass. Und dann hörten wir sie von weitem . . .
    Und sahen sie . . . Junge, so etwas habe ich nie wieder gehört und gesehen, und ich habe vieles gehört und gesehen. Sie zogen gegen uns, die Taboriten und die Prager, sie marschierten, Fahnen und Monstranzen tragend, in schöner, gleichmäßiger, disziplinierter Formation unter Gesängen, die wie Donner grollten. Uns

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