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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Roussillon. Mich und Adele verbindet keine geringere, keine weniger tiefe und aufrichtige Liebe. Und alle haben sich gegen uns verschworen . . .«
    »Wenn diese Liebe so groß ist«, Zawisza spielte jetzt den Neugierigen, »warum bist du dann nicht bei deiner Liebsten?
Fugis chrustas
, wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb? Tristan fand eine Möglichkeit, um bei Isolde zu sein, er verkleidete sich, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, in die Lumpen eines elenden Bettlers. Lancelot zog, um seine Guinevere zu bekommen, allein gegen die Ritter der Tafelrunde zu Felde.«
    »Das ist nicht so einfach.« Reynevan war puterrot geworden. »Was hat sie denn davon, wenn sie mich erwischen und totschlagen? Von mir selbst will ich gar nicht reden. Aber ich finde einen Weg, habt keine Angst. Vielleicht verkleidet wie Tristan eben. Die Liebe besiegt alles.
Amor omnia vincit.
«
    Zawisza erhob sich im Sattel und furzte. Es ließ sich schwer einschätzen, ob das ein Kommentar war oder nur das Kraut.
    »Ein Gutes hatte der Streit«, sagte er, »nämlich, dass wir geredet haben, denn mir wird fad, wenn ich so schweigend und mit hängender Nase dahinreiten soll. Unterhalten wir uns weiter, mein junger Herr Schlesier. Egal, über welches Thema.«
    »Warum reitet Ihr hier entlang?«, wagte Reynevan nach einer Weile zu fragen. »Ist es von Krakau nach Mähren über Ratibor nicht näher? Und über Troppau?«
    »Möglicherweise ist es sogar näher«, sagte Zawisza versöhnlich. »Aber siehst du, ich kann die Ratiborer nicht leiden. Der kürzlich verstorbene Herzog Johann, Gott sei seiner Seele gnädig, war ein ausgemachter Hurensohn. Er hat Premislaw, dem Sohn des Herzogs Noszak von Teschen, Mörder auf den Hals gehetzt, und ich kannte Noszak gut, und Premislaw war mein Freund. Wenn ich früher schon nie die Gastfreundschaft der Ratiborer in Anspruch genommen habe, werde ich es jetzt erst recht nicht tun, denn Johanns Sohn Nikolaus tritt kräftig in die Fußstapfen seines Vaters. Außerdem habe ich den Umweg gewählt, weil ich mit Kantner in Oels etliches zu bereden hatte und ihm mitteilen musste, was Jagiełło ihm zu sagen hatte. Zudem ist der Weg durch Niederschlesien für gewöhnlich reich an Attraktionen. Obwohl mir das momentan leicht übertrieben scheint.«
    »Ha!«, Reynevan ging plötzlich ein Licht auf, »deswegen reitet Ihr in voller Rüstung. Und auf einem Schlachtross! Ihr seid auf Händel aus. Habe ich Recht?«
    »Du hast es erraten«, gab Zawisza der Schwarze ruhig zu. »Es heißt, hier wimmle es von Raubrittern.«
    »Nicht hier. Hier ist es sicher. Deswegen ist auch viel Volk unterwegs.«
    Und in der Tat, an Gesellschaft mangelte es nicht. Zwar holten sie niemanden ein, und keiner überholte sie, aber in der Gegenrichtung von Brieg nach Oels herrschte lebhafter Verkehr. An einigen Kaufleuten auf hoch aufgetürmten Wagen, die tiefe Spuren in den Weg zeichneten und von einem guten Dutzend Bewaffneter mit rechten Banditengesichtern eskortiert wurden, waren sie schon vorbeigekommen. Sie begegneten einer langen Reihe mit Lägeln beladener Teersieder, die zu Fuß unterwegs waren und sich schon lange vorher durch den scharfen Geruch von Harz angekündigt hatten. Sie ritten an einem Trupp von Rittern mit Kreuz und einem Stern vorbei, an einem nur von einem Knappen begleiteten Johanniter mit dem Gesicht eines Cherubins, an Ochsentreibern, die ihre Tiereständig am Laufen hielten und auch an fünf fragwürdig aussehenden Pilgern, die, obwohl sie sich höflich nach dem Weg nach Tschenstochau erkundigten, für Reynevan dadurch keineswegs an Verdächtigkeit verloren. Sie begegneten Vaganten auf einem Leiterwagen, die fröhlich und mit weinseliger Stimme
In cratere meo
sangen, ein Lied nach Versen des Hugo von Orléans. Und eben jetzt zog ein Ritter mit einer Dame und einem kleinen Gefolge vorbei. Der Ritter trug eine herrliche bayerische Rüstung, und der doppelschwänzige Löwe auf seinem Schild wies ihn als einen aus der weit verzweigten Familie derer von Unruh aus. Der Ritter hatte   – wie unschwer zu erkennen war   – sofort Zawiszas Wappen ausgemacht und grüßte mit einer Verbeugung, die so stolz war, dass nicht zu übersehen war, dass die von Unruh den Sulimern in nichts nachstanden. Die in ein blasslila Gewand gehüllte Begleiterin des Ritters saß im Damensattel auf einer schönen schwarzbraunen Stute und trug seltsamerweise keinerlei Kopfschmuck, der Wind spielte frei in ihren goldblonden Haaren. Im Vorüberreiten hob

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