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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die Frau den Kopf, lächelte leicht und schenkte dem gaffenden Reynevan einen solch verheißungsvollen Blick aus ihren grünen Augen, dass der Junge erschauerte.
    »Oho!«, sagte Zawisza nach einer kleinen Weile. »Du stirbst keines natürlichen Todes, Jungchen.«
    Und furzte. Mit der Kraft eines mittleren Geschützes.
    »Zum Beweis, dass ich Euch Eure Boshaftigkeiten und Sticheleien nicht übel nehme, werde ich Euch von diesen Blähungen und Gasen heilen.«
    »Ich bin gespannt, wie.«
    »Ihr werdet schon sehen. Wenn wir nur auf einen Schafhirten stoßen.«
    Der Schafhirte wurde schnell gefunden, als er aber die vom Wege auf ihn zusprengenden Berittenen sah, begann er in höchster Angst davonzulaufen, schlug sich in die Büsche und verschwand wie der Traum vom Gold. Zurück blieben nur die blökenden Schafe.
    »Wir hätten ihn überraschen müssen«, meinte Zawisza, der in den Steigbügeln stand und versuchte, die Lage einzuschätzen. »In diesem unwegsamen Gelände holen wir ihn jetzt nicht mehr ein. Bei dem Tempo, das er vorgelegt hat, hat er sich gewiss schon hinter die Oder in Sicherheit gebracht.«
    »Oder hinter die Neiße«, versetzte Wojciech, der Knappe des Ritters, und bewies damit Witz und Kenntnis der Geographie.
    Reynevan aber achtete nicht auf ihre Spötteleien. Er stieg vom Pferd und ging mit festen Schritten in die Hütte des Schäfers, aus der er mit einem großen Bündel getrockneter Kräuter wieder auftauchte.
    Ich brauche den Schäfer nicht, sondern nur dies hier, erklärte er ruhig. Und ein bisschen heißes Wasser. Es wird sich doch wohl ein Topf finden?
    »Alles«, sagte Wojciech trocken, »alles findet sich.«
    »Wenn’s ums Kochen geht«, Zawisza blickte zum Himmel, »machen wir Halt. Und zwar einen längeren, die Nacht zieht herauf.«
     
    Zawisza der Schwarze setzte sich bequem auf seinem mit einem Pelzmantel bedeckten Sattel zurecht, sah in den Becher, den er gerade geleert hatte, und roch daran.
    »Wirklich«, sagte er, »das schmeckt wie Wasser aus dem Burggraben, das die Sonne erwärmt hat, und es stinkt nach Katze. Aber es hilft, beim Leiden Christi, es hilft! Schon nach dem ersten Becher, nachdem ich mich ausgeschissen hatte, ging es mir besser, und jetzt spüre ich überhaupt nichts mehr. Meine Anerkennung, Reinmar. Es ist eine Lüge, dass die Universitäten den jungen Leute nur das Saufen, die Unzucht und lästerliche Reden beibringen. Eine Lüge, jawohl.«
    »Ein bisschen Kräuterkunde, mehr nicht«, erwiderte Reynevan bescheiden. »Das, was Euch wirklich geholfen hat, Herr Zawisza, war, die Rüstung abzulegen und ein wenig Ruhe zu haben, in einer bequemeren Lage als im Sattel . . .«
    »Du bist zu bescheiden«, unterbrach ihn der Ritter. »Ichkenne meine Möglichkeiten, ich weiß, wie lange ich es im Sattel und in der Rüstung aushalte. Du musst wissen, ich reite oft des Nachts, mit einer Laterne und ohne Rüstung. Zum einen verkürzt es die Reise, zum andern, wenn schon nicht bei Tag, dann sucht vielleicht einer im Dunkeln Händel . . . Und das lässt auf ein bisschen Spaß hoffen. Aber da du sagst, dass die Gegend sicher ist, ha, wozu dann die Pferde ermüden, lass uns hier beim Feuer bis zum Morgengrauen sitzen und uns unterhalten . . . Das ist schließlich auch eine Abwechslung, Vielleicht nicht ganz so unterhaltsam, wie ein paar Raubrittern die Bäuche aufzuschlitzen, aber immerhin.«
    Das Feuer prasselte fröhlich und erhellte die Nacht. Von den Würsten und den Speckstücken, die der Knappe Wojciech und die Knechte an Stöcken brieten, tropfte knisternd das Fett und verbreitete seinen Geruch. Wojciech und die Knechte schwiegen und wahrten gehörigen Abstand, aber in den Blicken, die sie Reynevan zuwarfen, stand Dankbarkeit. Offensichtlich teilten sie die Vorliebe ihres Herrn für nächtliche Ritte im Schein der Laterne ganz und gar nicht.
    Über dem Wald bedeckte sich der Himmel mit Sternen. Die Nacht war kalt.
    »Jaaa!« Zawisza rieb sich mit beiden Händen den Bauch. »Es hat geholfen, es hat geholfen, schneller und besser als die Gebete zum heiligen Erasmus, dem Schutzheiligen der Gedärme. Was war das für ein magisches Kraut, was für eine zauberische Mandragora? Und warum hast du sie ausgerechnet beim Schäfer gesucht?«
    »Nach Sankt Johannis«, erläuterte ihm Reynevan, froh darüber, sich ein wenig ins rechte Licht rücken zu können, »sammeln die Schäfer verschiedene, nur ihnen bekannte Kräuter. Dies Bündel tragen sie zunächst an der Hyrkavica, so nennt man

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