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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Pflaume in die Scheiße gefallen«, flüsterte sie kaum hörbar. »Ruhig sitzen bleiben. Sie haben dich schon gesehen. Wenn du aufstehst, werden sie sofort über dich herfallen. Bleib also sitzen und rühr dich nicht.«
    Sie ging zum Feuer hinüber und rührte in dem dampfenden, spritzenden Kessel. Reynevan saß stocksteif da und starrte auf die Speckgrieben auf den Klößen. Seine Augen hatten sich schon an das Dunkel gewöhnt. So weit, dass er erkennen konnte, dass die vier Männer am Tisch in der EckeRüstungen trugen und zu viele Waffen dabeihatten, um gewöhnliche Bauern zu sein. Und alle vier betrachteten ihn aufmerksam.
    Im Geiste verwünschte er seine Dummheit.
    Das Mädchen kam zurück.
    »Viel zu wenige von uns sind noch auf dieser Welt«, raunte sie, während sie so tat, als wische sie den Tisch ab, »als dass ich dich ins Verderben rennen ließe, mein Junge.«
    Sie hielt einen Moment lang die Hand still, und Reynevan erblickte an ihrem kleinen Finger eine Butterblume, ähnlich wie die im Hexenzauber am Pfeiler. Der Stengel war so gewunden, dass die gelbe Blüte wie das Kleinod eines Rings wirkte. Reynevan seufzte, unwillkürlich berührte er sein eigenes Gebinde, die unter seinem Wams verknoteten Stengel von Wolfsmilch, Zahntrost und Kümmel. Die Augen des Mädchens glühten in der Dunkelheit. Sie nickte.
    »Ich habe es gesehen, kaum dass du hereinkamst«, wisperte sie, »und ich wusste, dass die dir hinterherjagen. Aber ich lasse dich nicht ins Verderben rennen. Unser sind nicht mehr viele, wenn wir uns nicht gegenseitig helfen, sterben wir alle aus. Iss, wahre den Schein.«
    Er aß sehr langsam, obwohl er spürte, wie es ihm unter den Blicken der Männer aus der Ecke kalt den Rücken hinunterlief. Das Mädchen klapperte mit den Pfannen, rief jemandem in der anderen Stube etwas zu, schürte das Feuer und kam zurück. Mit einem Besen.
    Ich habe dein Pferd zur Tenne hinter dem Schweinestall bringen lassen. Wenn es losgeht, lauf durch jene Tür dort hinter der Binsenmatte. Auf der Schwelle gib Acht. Darauf.
    Während sie immer noch so tat, als fege sie den Boden, hob sie heimlich einen langen Strohhalm auf und machte rasch drei Knoten hinein.
    »Kümmere dich nicht um mich«, wies sie ihn flüsternd an, seine moralischen Bedenken zerstreuend, »auf mich wird keiner achten.«
    »Gerda!«, rief der Schankwirt. »Das Brot muss aus dem Ofen! Beweg dich, faules Ding!«
    Das Mädchen ging hinaus. Gebeugt, grau, unauffällig. Niemand beachtete sie. Niemand außer Reynevan, dem sie beim Hinausgehen einen Blick, brennend wie eine Fackel, zuwarf.
    Die vier am Tisch in der Ecke bewegten sich und standen auf. Sie näherten sich sporenklirrend, Leder knirschte, Panzerhemden rasselten, während sie sich auf die Knaufe ihrer Schwerter und Degen stützten. Reynevan verfluchte abermals und aus tiefster Seele seinen Leichtsinn.
    »Herr Reinmar Bielau! Hier, mein Junge, Ihr seht ja selbst, das nenne ich Jagderfolg! Das Wild wurde geschickt ausgemacht, das Dickicht ordentlich umstellt, ein wenig Glück nur, und man bleibt nicht ohne Beute. Und heute lacht uns tatsächlich das Glück.«
    Zwei der Kerle hatten sich seitlich von ihm aufgebaut, einer rechts, einer links. Der dritte hatte hinter Reynevans Rücken Posten bezogen. Der vierte, der gesprochen hatte, trug einen Schnauzbart und ein mit Niedknöpfen übersätes Gewand aus Leinen, eine Brigantine, und richtete sich ihm gegenüber auf. Dann setzte er sich ohne Aufforderung hin.
    »Du wirst nicht herumzappeln, keine Sperenzchen machen und kein Trara«, sagte er eher feststellend als fragend. »Was? Bielau?«
    Reynevan antwortete nicht. Sein Löffel verharrte zwischen Mund und Schüsselrand, als wüsste er nicht, was er damit anfangen sollte.
    »Nein, das wirst du nicht tun«, bekräftigte der Schnauzbärtige in dem Leinengewand. »Du weißt doch, dass das völlig unsinnig wäre. Wir haben nichts gegen dich, das ist nur ein ganz gewöhnlicher Auftrag. Und wir, merke auf, pflegen uns unsere Arbeit leicht zu machen.«
    »Wenn du anfängst zu zappeln und Krach zu schlagen, werden wir dich ruck, zuck besänftigen. Hier an der Tischkante werden wir dir erst mal die Hände brechen. Das ist ein erprobtesMittel, nach einem solchen Eingriff müssen wir den Patienten nicht einmal binden. Hast du etwas gesagt, oder ist es mir nur so vorgekommen?«
    »Nichts.« Reynevan überwand endlich den Widerstand seiner leblosen Lippen. »Ich habe nichts gesagt.«
    »Das ist gut. Iss auf. Bis

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