Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
nicht auf Hundsfelder zurückblicken. Genau wie Euch ist mir der Gedanke an Gemeinheit und Kleinmütigkeit des Geistes verhasst. Ich kehre zu Adele zurück. Denn . . . Nicht wichtig, was jener Hans gesagt hat . . . Mein Platz ist bei ihr. Ich werde nicht wie ein Feigling oder wie ein kleiner Dieb davonlaufen. Ich werde mich dem entgegenstellen, dem ichmuss. So wie Ihr vor Deutsch-Brod. Lebt wohl, edler Herr Zawisza.«
    »Leb wohl, Reinmar von Bielau. Gib Acht auf dich.«
    »Und Ihr auf Euch. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.«
    Zawisza der Schwarze von Garbowo sah ihn lange an.
    »Ich glaube nicht«, sagte er schließlich.

Fünftes Kapitel
    in dem Reynevan zuerst am eigenen Leibe erfährt, wie sich ein flüchtender Wolf in einem umstellten Dickicht fühlt. Dann begegnet er der blonden Nicoletta. Und dann fährt er stromabwärts.
    H inter dem Wald, an der Weggabelung, stand ein steinernes Sühnekreuz. Zeichen eines Verbrechens, wie man sie in Schlesien häufig fand. Und einer sehr späten Sühne.
    Die Arme des Kreuzes endeten in Form eines Kleeblattes. Auf dem nach unten hin verbreiterten Sockel war eine Axt eingemeißelt   – das Werkzeug, mit dem der Büßer seinen Nächsten in die bessere Welt befördert hatte. Oder ein paar von seinen Nächsten.
    Reynevan betrachtete das Kreuz aufmerksam. Und fluchte kräftig.
    Es war genau dasselbe Kreuz, an dem er vor drei Stunden von Zawisza Abschied genommen hatte.
    Schuld daran war der Nebel, der sich seit dem Morgengrauen wie Rauch über Wald und Felder gelegt hatte, schuld war der Nieselregen, der mit kleinen Tropfen in die Augen stach, und als er endlich aufgehört hatte, war der Nebel noch dichter geworden. Schuld war Reynevan selbst, seine Müdigkeit und Erschöpfung, sein Mangel an Konzentration, verursacht durch das unablässige Denken an Adele von Sterz und an Pläne zu ihrer Befreiung. Und schließlich, wer weiß? Vielleicht waren ja wirklich die zahlreichen Waldgeister, Muhmen, Waldschrate, Kobolde, Irrlichter und anderes Gelichter daran schuld, von denen es in den schlesischen Wäldern mehr als genug gab, und die nur darauf aus waren, einen in die Irre zuführen. Weniger sympathische und weniger freundliche Verwandte und Bekannte des in der Nacht erschienenen Hans Mein Igel?
    Es hatte allerdings keinen Sinn, nach einem Schuldigen zu suchen, das wusste Reynevan nur zu gut. Er musste die Situation richtig einschätzen, einen Entschluss fassen und danach handeln.
    Er stieg aus dem Sattel, lehnte sich gegen das Sühnekreuz und begann intensiv nachzudenken.
    Anstatt schon drei Stunden weiter auf dem Weg nach Bernstadt zu sein, war er den ganzen Morgen im Kreis herumgeritten und befand sich immer noch dort, von wo er aufgebrochen war, also in der Nähe von Brieg, nicht weiter als eine Meile von der Burg entfernt.
    Vielleicht, dachte er, vielleicht hat das Schicksal mich geführt? Mir einen Fingerzeig gegeben? Vielleicht sollte ich Nutzen daraus ziehen, dass ich in der Nähe bin, und in die Stadt reiten, zum Spital des Heiligen Geistes, wo sie mir freundlich gesinnt sind, und dort um Hilfe bitten? Oder besser keine Zeit verlieren und, meinem ursprünglichen Plane folgend, direkt nach Bernstadt und Ellguth reiten? Zu Adele?
    Die Städte muss ich meiden, beendete er schließlich seine Überlegungen. Seine guten, ja freundschaftlichen Kontakte zu den Brieger Geistlichen waren allen bekannt, also auch den Sterz’. Hinzu kam, dass der Weg über Brieg zur Johanniterkomturei in Klein Oels führte, dem Ort, an dem Herzog Konrad Kantner ihn festsetzen wollte. Abgesehen von der guten Absicht des Herzogs und unerachtet der Tatsache, dass Reynevan absolut keine Lust verspürte, einige Jahre zur Buße bei den Johannitern zu verbringen, könnte sich auch einer aus Kantners Gefolge verplappern oder sich kaufen lassen, und dann war die Gefahr groß, dass ihm die Sterz’ an den Brieger Stadtgrenzen auflauerten.
    Also Adele, dachte er, ich reite zu Adele. Adele zu befreien. Wie Tristan zu Isolde, Lancelot zu Guinevere, wie Gareth zuLyoness, wie Guinglain zu Esmerée, wie Palmerin zu Polinarde, wie Medoro zu Angelica. Mit einem Wort, ein bisschen dumm und ein bisschen riskant, ha! verwegen!, dem Löwen direkt ins Maul. Aber erstens kann ich dadurch meine Verfolger überraschen, denn das erwarten sie nicht. Zweitens, Adele bedarf meiner, sie ist in Not, sie wartet, und gewiss hat sie Sehnsucht, ich kann nicht zulassen, dass sie noch länger wartet.
    Er strahlte,

Weitere Kostenlose Bücher