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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dem Reitknecht schlief er auf dem Stroh, und die Last der Erinnerungen lag ihm auf der Brust, er erwachte viele Male. O wie zerstückt und unfruchtbar lag hinter ihm sein Leben, an herrlichen Bildern reich, aber in so viele Scherben zerschmissen, so arm an Wert, so arm an Liebe! Mor-290
    gens beim Wegreiten blickte er bang zu den Fenstern empor, ob er vielleicht Julie noch einmal zu Gesicht bekäme.
    So hatte er vor kurzem im Hof der Bischofsresidenz um-hergeblickt, ob Agnes sich noch einmal zeige. Sie war nicht gekommen, und auch Julie zeigte sich nicht mehr. So war sein ganzes Leben gewesen, schien ihm Abschiednehmen, Davonfliehen, Vergessenwerden, Dastehen mit leeren Händen und frierendem Herzen. Den ganzen Tag ging es ihm nach, er sprach kein Wort, finster hing er im Sattel. Narziß ließ ihn gewähren.
    Nun aber näherten sie sich dem Ziel, und nach einigen Tagen war es erreicht. Kurz ehe Turm und Dächer des Klosters sichtbar wurden, ritten sie über jene steinigen Brachfelder hin, auf denen er, o vor wie langer Zeit, einst Johanniskraut für den Pater Anselm gesucht hatte und von der Zigeunerin Lise zum Mann gemacht worden war Und nun ritten sie durchs Tor von Mariabronn und stiegen unter dem welschen Kastanienbaum von den Pferden Zärtlich berührte Goldmund den Stamm und bückte sich nach einer der zersprungenen stacheligen Fruchtschalen, die braun und verwelkt am Boden lagen.
    Achtzehntes Kapitel
    Goldmund wohnte die ersten Tage im Kloster selbst, in einer der Gastzellen. Dann wurde ihm auf seine Bitte in einem der Wirtschaftsgebäude, die den großen Hof wie einen Marktplatz umstanden, Quartier gemacht, der Schmiede gegenüber.
    Mit einem so heftigen Zauber, daß er selbst sich
    manchmal darüber verwunderte, ergriff ihn das Wiedersehen. Niemand hier kannte ihn außer dem Abt, niemand 291
    wußte, wer er sei, die Menschen hier, Brüder sowohl wie Laien, lebten in einer festen Ordnung und waren beschäftigt, sie ließen ihn in Ruhe. Aber es kannten ihn die Bäume des Hofes, es kannten ihn die Portale und Fenster, die Mühle und das Wasserrad, die Fliesen der Gänge, die welken Rosenbüsche im Kreuzgang, die Storchennester auf Kornhaus und Refektorium. Es duftete aus jeder Ecke seine Vergangenheit, seine erste Jugendzeit ihm süß und rührend entgegen, Liebe trieb ihn, alles wiederzuschauen, alle Klänge wiederzuhören, die Vesperglocke und das
    Sonntagsgeläut, das Rauschen des dunklen Mühlbachs in seinen engen moosigen Mauern, das Schreiten der Sandalen auf den Steinplatten, den abendlichen Klang des Schlüsselbundes, wenn der Bruder Pförtner schließen ging. Neben den steinernen Abflußrinnen, in die vom Dach des Laienrefektonums das Regenwasser fiel, wucher-ten noch immer dieselben kleinen Kräuter, Storchschna-bel und Wegerich, und der alte Apfelbaum im Garten der Schmiede hielt noch immer seine weitgreifenden Äste gleich gewunden. Stärker aber als alles andere bewegte es ihn jedesmal, wenn die kleine Schulglocke zu hören war und wenn in der Erholungsstunde alle die Klosterschüler die Treppen herab und auf den Hof gepoltert kamen. Wie jung und dumm und hübsch waren ihre Knabengesichter
    – war wirklich auch er einmal so jung, so täppisch, so hübsch und kindisch gewesen?
    Aber außer diesem wohlbekannten Kloster fand er auch ein beinah unbekanntes wieder, schon in den ersten Tagen stach es ihm in die Augen, wurde ihm immer wichtiger und verband sich mit dem Wohlbekannten nur langsam.
    Denn war auch hier nichts Neues hinzugekommen, stand auch alles gleich, wie es in seiner Schülerzeit und vorher hundert und mehr Jahre gestanden war, so sah er es doch nicht mit den Augen des Schülers. Er sah und fühlte die 292
    Maße dieser Bauten, die Gewölbe der Kirche, die alten Ma-lereien, die steinernen und hölzernen Figuren auf den Al-tären, in den Portalen, und obwohl er nichts sah, was nicht auch damals schon an seinem Ort gewesen wäre, sah er doch jetzt erst die Schönheit dieser Dinge und den Geist, der sie geschaffen hatte. Er sah die alte steinerne Mutter Gottes in der obern Kapelle, auch als Knabe schon hatte er sie gern gehabt und hatte sie abgezeichnet, aber erst jetzt sah er sie mit wachen Augen, und sah, daß sie ein Wunder-werk war, das er auch mit der besten und geglücktesten Arbeit niemals übertreffen konnte. Und solche wunderbare Dinge gab es viele, und jedes stand nicht für sich und war ein Zufall, sondern jedes stammte aus demselben Geist und stand zwischen den alten Mauern,

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