Narziss und Goldmund
Reisen.«
Sie sah ihn an, halb spöttisch, halb blöde, und schüttelte ein wenig den Kopf auf dem hagern faltigen Halse. Sie ließ ihn ein paar Bissen kauen und brachte den Kleinen wieder an die Sonne hinaus. Dann kam sie wieder, neugierig, und fragte: »Weißt du was Neues?«
»Nicht viel. Kennst du den Pater Anselm?«
»Nein. Was ist mit dem?«
»Krank ist er.«
»Krank? Muß er sterben?«
»Weiß nicht. Es ist in den Beinen. Er kann nicht gut gehen.«
»Muß er sterben?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.«
»Na, laß ihn sterben. Ich muß Suppe kochen. Hilf mir Späne schneiden.«
Sie gab ihm ein Tannenscheit, hübsch am Herd getrocknet, und ein Messer. Er schnitt Späne, so viel sie wollte, und sah zu, wie sie sie in die Asche steckte und sich darüber bückte und hastete und blies, bis sie Feuer fingen. Nach einer genauen, geheimen Ordnung schichtete sie nun auf, Tannenes und Buchenes, hell strahlte das Feuer auf dem offenen Herd, sie rückte den großen schwarzen Kessel in die Flammen, der an verrußter Kette aus dem Rauchfang hing.
Goldmund holte auf ihren Befehl Wasser am Brunnen, rahmte die Milchschüssel ab, saß in der rauchigen Dämmerung, sah die Flammen spielen und über ihnen das knochige Runzelgesicht der Alten in roten Schimmern erscheinen und verschwinden; er hörte nebenan, hinter bretterner Wand, die Kuh in der Raufe wühlen und stoßen.
Es gefiel ihm sehr. Die Linde, der Brunnen, das flackernde Feuer unterm Kessel, da s Schnauben und Mahlen der fres senden Kuh und ihre dumpfen Stöße gegen die Wand, der halbdunkle Raum mit Tisch und Bank, das Hantieren der kleinen greisen Frau, das alles war schön und gut, roch nach Nahrung und Frieden, nach Menschen und Wärme, nach Heimat. Auch zwei Ziegen waren da, und von der Alten erfuhr er, man habe auch einen Schweinestall hinten an, und die Alte war des Bauern Großmutter, die Urahne des kleinen Buben. Der hieß Kuno, er kam ab und zu herein, und wenn er auch kein Wörtchen sprach und etwas ängstlich blickte, er weinte doch nicht mehr.
Es kam der Bauer mit seinem Weibe, die waren sehr erstaunt, einen Fremden im Haus zu treffen. Der Bauer wollte schon zu schimpfen anfangen, mißtrauisch zog er den Jüngling am Arm zur Tür, um beim Tageslicht sein Gesicht zu besehen; dann lachte er, schlug ihm wohlmeinend auf die Schulter und lud ihn zum Essen ein. Sie setzten sich, und jeder tauchte sein Brot in die gemeinsame Milchschüssel, bis die Milch zur Neige ging und der Bauer den Rest austrank.
Goldmund fragte, ob er bis morgen bleiben und unter ihrem Dach schlafen dürfe. Nein, meinte der Mann, dazu sei kein Raum; aber draußen liege ja überall noch Heu genug, da werde er schon ein Lager finden.
Die Bäuerin hatte den Kleinen neben sich, sie nahm nicht am Gespräch teil; aber während des Essens nahmen ihre neugierigen Augen von dem jungen Fremden Besitz.
Seine Locken und sein Blick hatten ihr sogleich Eindruck gemacht, dann nahm sie mit Gefallen auch seinen hübschen weißen Hals, seine vornehmen glatten Hände und deren freie schöne Bewegungen wahr. Ein stattlicher und vornehmer Fremder war das, und so jung! Was sie aber am meisten anzog und verliebt machte, war die Stimme des Fremden, diese heimlich singende, warm ausstrahlende, sanft werbende junge Männerstimme, die wie Liebkosung klang. Noch lang hätte sie dieser Stimme zuhören mögen.
Nach dem Essen machte der Bauer sich im Stall zu schaffen; Goldmund war aus dem Hause getreten, hatte sich am Brunnen die Hände gewaschen und saß auf dem niedrigen Brunnenrand, sich kühlend und dem Wasser zuhörend. Unschlüssig saß er; er hatte hier nichts mehr zu suchen, doch tat es ihm leid, schon wieder gehen zu sollen.
Da kam die Bäuerin heraus, einen Eimer in der Hand, den stellte sie unter den Strahl und ließ ihn vollaufen. Mit halber Stimme sagte sie: »Du, wenn du heut abend noch in der Nähe bist, will ich dir zu essen bringen. Dort hinüber, hinter dem langen Gerstenfeld, liegt Heu, das wird erst morgen geholt. Wirst du noch da sein?«
Er sah ihr ins sommersprossige Gesicht, sah ihre starken Arme den Eimer rücken, warm blickten ihre hellen großen Augen. Er lächelte ihr zu und nickte, und schon schritt sie mit dem vollen Eimer weg und verschwand im Dunkel der Türe. Dankbar saß er, sehr zufrieden, und hörte dem laufenden Wasser zu. Ein wenig später ging er hinein, suchte den Bauern, gab ihm und der Großmutter die Hand und bedankte sich. Es roch nach Feuer, nach Ruß und nach
Weitere Kostenlose Bücher