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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Goldmund und begann die Zurüstungen zur Abreise. Freilich, es war da nicht viel zu rüsten, es war nichts zu tun, als Abschied zu nehmen. Es hing da ein Bild an der Wand, das er selbst gemalt hatte, eine sanfte Madonna, und es hingen und lagen Dinger herum, die sein Eigentum waren: ein Sonntagshut, ein Paar Tanzschuhe, eine Rolle Zeichnungen, eine kleine Laute, eine Anzahl von ihm gekneteter Tonfigürchen, einige Geschenke von Geliebten: ein künstlicher Blumenstrauß, ein rubinrotes Trinkglas, ein alter hartgewordener Lebkuchen in Herzform und dergleichen Kram, wovon jedes Stück seine Bedeutung und Geschichte gehabt hatte und ihm liebgewesen war und was jetzt alles lästiger Plunder war, den n nichts davon konnte er mitneh men. Wenigstens tauschte er beim Hausherrn das Rubi n glas gegen ein starkes gutes Jagdmesser um, das er am Schleifstein im Hofe scharf machte, er zerbröselte den Lebkuchen und fütterte ihn den Hühnern im Nachbarhof, schenkte das Madonnenbild der Hausfrau und bekam dafür auch ein nützliches Gegengeschenk einen alten ledernen Reiseranzen und einen reichlichen Mundvorrat für die Reise. In den Ranzen packte er einige Hemden, die er besaß, und ein paar kleinere Zeichnungen, über ein Stück Besenstiel gerollt, dazu die Eßwaren. Der übrige Kram mußte zurückbleiben.
    Es gab mehrere Frauen in der Stadt, von denen sich zu verabschieden schicklich gewesen wäre, bei einer von ihnen hatte er noch gestern geschlafen, ohne ihr von seinen Plänen zu sagen. Ja, so hängte sich einem dies und jenes an die Fersen, wenn man wandern wollte. Man durfte es nicht ernst nehmen. Er sagte niemandem Lebewohl als den Hausleuten. Er tat es am Abend, um in aller Frühe weggehen zu können.
    Trotzdem war am Morgen jemand aufgestanden und lud ihn, als er eben still das Haus verlassen wollte, zu einer Milchsuppe in die Küche ein. Es war die Tochter des Hauses, ein Kind von fünfzehn Jahren, ein stilles kränkliches Geschöpf mit schönen Augen, aber mit einem Schaden am Hüftgelenk, der sie hinken machte. Sie hieß Marie. Mit übernächtigem Gesicht, ganz bleich, aber sorgfältig gekleidet und gestrählt, bediente sie ihn in der Küche mit heißer Milch und Brot und schien sehr traurig darüber zu sein, daß er fortging. Er dankte ihr und küßte sie zum Abschied mitleidig auf den schmalen Mund. Andächtig, mit geschlossenen Augen, empfing sie den Kuß.

 

     

    Dreizehntes Kapitel
     
    In den ersten Zeiten seiner neuen Wanderschaft, im ersten gierigen Taumel der wiedergewonnenen Freiheit, mußte Goldmund erst wieder lernen, das heimatlose und zeitlose Leben der Fahrenden zu leben. Keinem Menschen gehorsam, abhängig nur von Wetter und Jahreszeit, kein Ziel vor sich, kein Dach über sich, nichts besitzend und allen Zufällen offen, fuhren die Heimatlosen ihr kindliches und tapferes, ihr ärmliches und starkes Leben.
    Sie sind die Söhne Adam s, des aus dem Paradies Vertrie benen, und sind die Brüder der Tiere, der unschuldigen.
    Aus der Hand des Himmels nehmen sie Stunde um Stunde, was ihnen gegeben wird: Sonne, Regen, Nebel, Schnee, Wärme und Kälte, Wohlsein und Not, es gibt für sie keine Zeit, keine Geschichte, ke in Streben und nicht jenen selt samen Götzen der Entwicklung und des Fortschritts, an den die Hausbesitzer so verzweifelt glauben. Ein Vagabund kann zart oder roh sein, kunstfertig oder tölpisch, tapfer oder ängstlich, immer aber ist er im Herzen ein Kind, immer lebt er am ers ten Tage, vor Anfang aller Welt geschichte, immer wird sein Leben von wenigen einfachen Trieben und Nöten geleitet. Er kann klug sein oder dumm, er kann tief in sich wissend sein, wie gebrechlich und vergänglich alles Leben ist und wie arm und angstvoll alles Lebendige sein bißchen warmes Blut durch das Eis der Welträume trägt, oder er kann bloß kindisch und gierig den Befehlen seines armen Magens folgen – immer ist er der Gegenspieler und Todfeind des Besitzenden und Seßhaften, der ihn haßt, verachtet und fürchtet, denn er will nicht an all das erinnert werden: nicht an die Flüchtigkeit alles Seins, an das beständige Hinwelken alles Lebens, an den unerbittlichen eisigen Tod, der rund um uns das Weltall erfüllt.
    Die Kindlichkeit des Vagantenlebens, seine mütterliche Herkunft, seine Abkehr vo n Gesetz und Geist, seine Preis gegebenheit und heimliche immerwährende Todesnähe hatten längst Goldmunds Seele tief ergriffen und geprägt.
    Daß dennoch Geist und Wille in ihm wohnte, daß er dennoch ein

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