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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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der Hintertür des Hauses erscheinen würde, etwas Geräuchert es in der Hand, wie er es entge gennehmen und sie dabei ein wenig streicheln und an sich drücken würde, wie sie es erwartete – und plötzlich schien es ihm unendlich dum m und häßlich, diesen ganzen me chanischen Ablauf oft erlebter Dinge wieder hervorzurufen und seine Rolle dann zu spielen, die Wurst in Empfang zu nehmen, die kräftigen Brüste sich an ihn drängen zu fühlen und sie wie zum Gegengeschenk ein wenig zu drü cken. Plötzlich meinte er in ihrem guten derben Gesicht einen Zug von entseelter Gewohnheit, in ihrem freundlichen Lächeln etwas allzuoft Gesehenes, etwas Mechanisches und Geheimnisloses, etwas seiner Unwürdiges zu sehen. Er beschrieb den gewohnten Wink mit der Hand nicht zu Ende, auf seinem Gesicht erfror das Lächeln. Liebte er sie denn noch, begehrte er sie noch ernstlich? Nein, allzuoft schon war er hier gewesen, allzuoft hatte er dies immer gleiche Lächeln gesehen und ohne Herzensantrieb erwidert. Was er gestern noch unbedenklich gekonnt hatte, war ihm heut plötzlich nicht mehr möglich. Die Magd stand noch und schaute, da hatte er sich schon umgewen det und war aus der Gasse verschwunden, entschlossen, sich nie mehr dort zu zeigen Mochte ein anderer diese Brüste streicheln! Mochte ein anderer diese guten Würste essen! Überhaupt, was wurde hier in dieser fetten vergnügten Stadt nicht Tag für Tag gefressen und vergeudet!
    Wie faul, wie verwöhnt, wie wählerisch waren diese feisten Bürger, wegen deren jeden Tag so viel Säue und Kälber geschlachtet und so viel schöne arme Fische aus dem Fluß gezogen wurden! Und er selbst – wie war er selbst verwöhnt und verdorben, wie ekelhaft ähnlich war er diesen fetten Bürgern geworden! Auf Wanderung, im verschneiten Feld, da schmeckte eine gedörrte Pflaume oder eine alte Brotrinde köstlicher als hier im Wohlleben ein ganzes Zunftessen. O Wanderung, o Freiheit, o mondbeschienene Heide und vorsichtig beäugte Tierspur im graufeuchten Morgengras! Hier in der Stadt, bei den Seßhaften, ging alles so leicht und kostete so wenig, sogar die Liebe. Er hatte genug davon, plötzlich, er spie darauf. Dies Leben hier hatte seinen Sinn verloren, es war ein Knochen ohne Mark. Es war schön gewesen und hatte Sinn gehabt, solang der Meister ein Vorbild, Lisbeth eine Prinzessin gewesen war, es war erträglich gewesen, solang er an seinem Johannes gearbeitet hatte. Jetzt war es zu Ende damit, der Duft war dahin, das Blümlein war verwelkt. Mit heftiger Welle ergriff ihn das Gefühl der Vergänglichkeit, das ihn oft so tief peinigen und so tief berausche n konnte. Schnell verblühte alles, schnell war jede Lust erschöpft, und nichts blieb übrig als Knochen und Staub. Doch, eines blieb: die ewige Mutter, die uralte und ewig junge, mit dem traurigen und grausamen Liebeslächeln.
    Wieder sah er sie für Augenblicke: eine Riesin, Sterne im Haar, träumerisch sit zend am Rande der Welt, mit ver spielter Hand pflückte sie Blume um Blume, Leben um Leben, und ließ sie langsam ins Bodenlose fallen.
    In diesen Tagen, während Goldmund ein verblühtes Stück Leben hinter sich erblassen sah und in einem traurigen Rausch von Abschiednehmen durch die vertraute Gegend schweifte, gab sich Meister Niklaus große Mühe, für seine Zukunft zu sorgen und diesen unruhigen Gast für immer seßhaft zu machen. Er bewog die Zunft, Goldmund das Meisterzeugnis auszustellen, und erwog den Plan, ihn nicht als Untergebenen, sondern als Mitarbeiter dauernd an sich zu fesseln, alle großen Aufträge mit ihm zu beraten und auszuführen und ihn zum Teilhaber an deren Ertrag zu machen. Es mochte ein Wagnis sein, auch Lisbeths wegen, denn natürlich würde der junge Mensch dann bald sein Schwiegersohn werden. Aber eine Figur wie den Johannes hatte auch der beste aller Gehilfen, die Niklaus je besoldet hatte, niemals zu machen vermocht, und er selbst wurde alt und wurde ärmer an Einfällen und Schöpfer kraft, und zu einem gewöhnlichen handwerklichen Ge werbe wollte er seine berüh mte Werkstatt nicht herabsin ken sehen. Es würde schwierig sein mit diesem Goldmund, aber es mußte gewagt werden.
    So rechnete sorgenvoll der Meister. Er würde für Goldmund die hintere Werkstatt ausbauen und vergrößern lassen und ihm die Stube im Dachstock einräumen, ihn auch zu seiner Aufnahme in die Zunft mit neuer, schöner Kleidung beschenken. Vorsichtig holte er auch Lisbeths Meinung ein, die seit jene m Mittagessen auf etwas

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