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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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näherte und den Weg wieder ging, den er vor Zeiten jahrelang jeden Tag zu seiner Arbeit gegangen war, begann sein Herz beklommen und unruhig zu werden. Er ging schneller, er wollte heut noch beim Meister vorsprechen und Bescheid wissen, es ertrug keinen Aufschub mehr, es hatte ihm ganz unmöglich geschienen, noch bis morgen zu warten. Sollte der Meister ihm etwa noch böse sein? Das war so lange her, es konnte keine Bedeutung mehr haben, und wenn es doch so sein sollte, so würde er es überwinden.
    Wenn der Meister nur noch da war, er und die Werkstatt, dann war alles gut. Eilig, als ob er noch in letzter Stunde etwas versäumen könnte, schritt er auf das wohlbekannte Haus zu, faßte nach dem Türgriff und erschrak heftig, als er das Tor geschlossen fand. Konnte das Böses bedeuten?
    Früher war es nie vorgekommen, daß diese Tür am hellen Tag verschlossen gehalten wurde. Dröhnend ließ er den Klopfer fallen und wartete. Es war ihm plötzlich sehr bang ums Herz geworden.
    Es kam dieselbe alte Magd, die ihn einst beim ersten Eintritt in dies Haus empfangen hatte. Sie war nicht häßlicher geworden, aber alter und unfreundlicher, und sie erkannte Goldmund nicht. Mit banger Stimme fragte er nach dem Meister. Sie blickte ihn blöde und mißtrauisch an.
    »Meister? Es gibt hier keinen Meister. Geht nur weiter, Mann, es wird niemand eingelassen.«
    Sie wollte ihn aus dem Tor zurückdrängen, er nahm sie am Arm und schrie auf sie ein »So rede doch, Margrit, um Gottes willen! Ich bin Goldmund, kennst du mich denn nicht? Ich muß zum Meister Niklaus.«
    Aus den weitsichtigen, halb erloschenen Augen schimmerte kein Willkomm.
    »Es gibt hier keinen Meister Niklaus mehr«, sagte sie ablehnend, »der ist tot. Machet, daß Ihr weiterkommt, ich kann hier nicht stehen und schwatzen.«
    Goldmund, während alles in ihm zusammenstürzte, drückte die Alte beiseite, die schreiend hinter ihm herlief, und eilte durch den dunklen Gang gegen die Werkstatt. Sie war geschlossen. Von der klagenden und schimpfenden Alten gefolgt, lief er die Treppe hinauf, in der Dämmerung sah er im bekannten Raume die Figuren stehen, die Niklaus gesammelt hatte. Mit lauter Stimme rief er nach Lisbeth.
    Es ging die Stubentür, und es erschien Lisbeth, und als er sie, erst beim zweiten Hinblicken, erkannte, drückte ihm der Anblick das Herz zusammen. War schon alles hier in diesem Hause, seit dem Augenblick, da er zu seinem Schrecken das Tor verschlossen gefunden hatte, gespenstisch und verzaubert und wie in einem beklommenen Traum gewesen, so fuhr ihm jetzt beim Anblick der Lisbeth wirklich ein Schaudern über den Rücken. Aus der schönen stolzen Lisbeth war eine scheue, gebückte Jungfer geworden, mit einem gelben, kränklichen Gesicht, in einem schwarzen schmucklosen Kleid, mit unsicherem Blick und ängstlicher Haltung.
    »Verzeiht«, sagte er, »Margrit wollte mich nicht hereinlassen. Kennet Ihr mich nicht? Ich bin doch Goldmund.
    Ach, sagt mir ist es denn wahr, daß Euer Vater gestorben ist?«
    An ihrem Blick sah er, daß sie ihn jetzt erkenne, und sah auch sogleich, daß er hier nicht in gutem Andenken stehe.
    »So, Ihr seid Goldmund!« sagte sie, und in der Stimme erkannte er etwas von ihrer früheren hochmütigen Art.
    »Ihr habet Euch umsonst herbemüht. Mein Vater ist gestorben.«
    »Und die Werkstatt?« fuhr es ihm heraus.
    »Die Werkstatt? Ist geschlossen. Wenn Ihr Arbeit sucht, müßt Ihr anderswohin gehen.«
    Er versuchte, sich zusammenzunehmen.
    »Jungfer Lisbeth«, sagte er freundlich, »ich suche keine Arbeit, ich wollte nur Grüßgott sagen, dem Meister und Euch. Es betrübt mich so sehr, daß ich das hören muß! Ich sehe, daß Ihr es schwer gehabt habet. Wenn Euch ein dankbarer Schüler Eures Vaters irgendeinen Dienst tun kann, so sagt es, es wäre mir eine Freude. Ach, Jungfer Lisbeth, es will mir das Herz brechen, daß ich Euch so – so tief im Leid finde.«
    Sie zog sich in die Stubentür zurück.
    »Danke«, sagte sie zögernd. »Ihr könnet ihm keinen Dienst mehr tun und mir auch nicht. Margrit wird Euch hinausführen.«
    Schlecht klang ihre Stimme, halb böse, halb ängstlich. Er spürte, hätte sie Mut gehabt, sie hätte ihn schimpflich hinausgewiesen.
    Schon war er unten, schon hatte die Alte das Haustor hinter ihm zugeschlagen und die Riegel gestoßen. Er hörte das harte Anschlagen der beiden Riegel noch, es klang ihm wie das Zuschlagen eines Sargdeckels.
    Langsam kehrte er zu der Ufermauer zurück und setzte sich wieder an

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