Naschkatze
bin (und die Leselampe, das Geschenk fürs Diplom, angenommen habe), ohne mein Studium tatsächlich zu beenden.
Genauso würden sie DURCHDREHEN, wenn sie wüssten, dass ich bei einem jungen Mann eingezogen bin, den ich dort kennengelernt habe. In Europa, meine ich. Also verschweige ich, wo ich wohne. Vielleicht erzähle ich ihnen einfach, Shari und ich würden uns ein Apartment teilen... Aber wenn sie mit ihrem Vater reden, mit Dr. Dennis? Verdammt …
Okay, darum sorge ich mich später.
Offensichtlich muss ich diese Zeit nutzen, um mich auf meine Karriere zu konzentrieren. Ich meine – wie kann ich einen Termin für ein Bewerbungsgespräch bei der Vogue arrangieren, wenn ich noch überhaupt nichts gemacht habe, was ein Bewerbungsgespräch rechtfertigt?
Andererseits, Shari würde richtig süß in einem Brautjungfernkleid aus Dupioni-Seide aussehen, in einem Bustier mit angeschnittenen Ärmeln, mit einem wadenlangen Rock – in Altrosa, so wie der Rock an dieser Schaufensterpuppe in der Auslage.
Okay, hör auf damit. Hör einfach auf. Daran darf ich jetzt nicht denken. Ich werde noch genug Zeit finden, um ein Brautjungfernkleid zu entwerfen, das an Shari zauberhaft und an Rose und Sarah grauenhaft wirken wird. Jetzt konzentriere ich mich auf die Arbeitssuche. Weil das im Augenblick am wichtigsten ist. Was soll ich mit meinem Leben anfangen? Ich will nicht nur Ehefrau sein. Das kann jedes Mädchen.
Und – klar, in der Vogue -Redaktion würde man allein schon deshalb mit mir reden, weil ich die Gemahlin eines Prinzen bin – nun ja, eines Pseudo-Prinzen. Dauernd interviewen sie Gemahlinnen von Pseudo-Prinzen und nennen sie »Gastgeberinnen«.
Aber ich möchte keine Gastgeberin sein. Ich mag nicht einmal Partys.
Nein, ich muss eine Möglichkeit finden, dieser Welt meinen Stempel aufzudrücken, etwas zu tun, das nur ich kann. Zum Beispiel Vintage-Brautkleider stylen.
Man sollte meinen, darauf wären die Leute ganz versessen. Verwahrt denn nicht jede Frau ein altes Brautkleid
auf ihrem Dachboden, das sie aufpeppen lassen will? Da gibt’s nur ein Problem – wie komme ich an all die Frauen ran, die meine Dienste brauchen, während ich gleichzeitig für meinen Lebensunterhalt sorge? Natürlich, das Internet, aber...
Ooooh, das süßeste Jonathan Logan-Kleid aus roter spanischer Spitze... Welch ein Jammer, dieser Riss im zarten Stoff... Nun, das lässt sich leicht reparieren. Wie viel? Oh, mein Gott, vierhundertfünfzig Dollar? Sind die wahnsinnig? Gerade haben wir so ein Kleid bei Vintage to Vavoom in Ann Arbor für nur fünfzig verkauft. Und das da, diese winzige Größe... Wem passt denn so was?
»Kann ich Ihnen helfen?«
Ups. Klar, ich bin nicht hier, um was zu kaufen.
»Hi«, sage ich und schicke ein hoffentlich umwerfendes Lächeln in die Richtung der Verkäuferin, die eine karierte Hose trägt (ist das ironisch gemeint?) und ihr Gesicht mit mehreren Piercings verziert hat. »Ist die Geschäftsführerin da?«
»Warum wollen Sie die Geschäftsführerin sprechen?«
Hmmm. Wie ich sehe, ist das Piercing-Gesicht ziemlich arrogant. Aber da der Laden an einer belebten Stra ße im Village liegt, sieht die Verkäuferin sicher alle möglichen schrägen Typen. Wahrscheinlich muss sie misstrauisch sein. Wer weiß schon, was für ausgeflippte Gestalten hier reinkommen? Vorhin ist mir dieser Kerl an der Stra ßenecke aufgefallen, der in einer Mülltonne gewühlt hat, die Hose bis zu den Fußknöcheln runtergelassen. Deshalb verstehe ich, warum die Frau fremden Leuten eher reserviert begegnet.
»Nun«, antworte ich in fröhlichem Ton, »ich habe mir
überlegt, ob ich hier vielleicht einen Job kriegen könnte. Seit Jahren befasse ich mich mit Vintage-Mode. Außerdem …«
»Hinterlegen Sie Ihren Lebenslauf an der Kasse«, unterbricht mich das Piercing-Gesicht. »Wenn die Geschäftsführerin interessiert ist, wird sie sich telefonisch bei Ihnen melden.«
Irgendwas sagt mir, dass die Geschäftsführerin mich niemals anrufen wird. Genauso wenig, wie die Personalchefin in der Kostümabteilung des Metropolitan Museum of Art angerufen hat. Genauso wenig wie der Leiter des Museum of the City New York’s Costume and Textile Collection. Genauso wenig wie Vera Wang. So wie sich keiner der zahllosen Läden, wo ich meine Lebensläufe deponiert habe, jemals gemeldet hat.
In diesem Fall weiß ich wenigstens, warum die Geschäftsführerin nicht anrufen wird. Wenn sie meinen Lebenslauf liest, wird sie glauben, ich wäre nicht
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