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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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fragen, wie ihr Date damals gelaufen und warum daraus keine Beziehung geworden ist, aber in dem Moment bellt Orange erregt und beginnt, am Reißverschluss zu kratzen.
    »Ich glaube, sie hat eine Spur«, sagt Annili, setzt die Tasche vorsichtig auf den Boden, öffnet sie, befestigt die Leine am Halsband und lässt den kleinen Hund frei. Begeistert rennt Orange auf einen nahestehenden Baumstumpf los. Ich sehe mich ängstlich um und will protestieren, doch Annili greift nach meiner Hand und zieht mich in die entsprechende Richtung.
    Als ich meine Linien gekreuzt hatte, war es nicht mehr allzu schwer gewesen, den Ort zu finden, den djfleming für mich als Treffpunkt vorgesehen hat.
    Ich warte auf dich, hundertsiebenundfünfzig Jahre, bevor ich geboren wurde. Fünfunddreißig Sekunden lang.
    Das Rätsel war gar nicht so verzwickt, wie es zu Beginn geklungen hat. Die ersten vier Stellen meines Längengrades mussten das Baujahr des Gebäudes minus hundertsiebenundfünfzig sein. Und da sich meine Linien im Schlosspark Schönbrunn kreuzten, galt es nur noch ein paar Wikipedia-Artikel zu durchforsten, ehe ich auf die Lösung kam.
    »Die Gloriette wurde im Jahr 1775 als letzte Baulichkeit des Schönbrunner Schlossgartens nach Plänen von Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg als ›Ruhmestempel‹, zugleich Hauptblickfang des Gartens und Aussichtspunkt über denselben erbaut«, zitiere ich zum wiederholten Mal den Text, den ich auswendig gelernt habe. »Was will er mir damit sagen, dass er mich ausgerechnet am Ruhmestempel des kaiserlichen Wiens treffen möchte?«
    »Die Koordinaten, Dotti«, ruft Annili aufgeregt. »Das muss der Punkt sein.«
    Ich öffne Google Maps mit dem iPhone und suche mittels GPS nach unserer momentanen Position. Sechzehn, achtzehn, fünfunddreißig. Mein Herz klopft schneller. Siebzehnhundertfünfundsiebzig weniger hundertsiebenundfünfzig. Sechzehnhundertachtzehn. Fünfunddreißig Sekunden. Aber …
    »Der Längengrad stimmt«, sage ich und studiere die Koordinaten. »Doch der Breitengrad ist falsch. Achtundvierzig, zehn, sechsundvierzig. Wir müssen weiter nach oben.«
    Orange ist noch nicht bereit, von dem Baumstumpf abzulassen. Mit wedelndem Schwanz schleicht sie um das Ding herum und winselt leise. Annili versucht, den Hund an der Leine weiterzuziehen, aber es gelingt ihr nicht. Ich denke an meine Begegnung mit dem Polizisten am Heldenplatz sowie an Sorina Loos’ Tobsuchtsanfall und habe keine besondere Lust, diesmal wegen der Anwesenheit eines Hundes im Schlosspark angezeigt zu werden. Zumal die Loos mir zwar nichts beweisen kann, mich aber seither mit gewitterumwölkter Miene beobachtet.
    »Annili«, flüstere ich deshalb, »Sie müssen den Hund wieder in die Tasche tun.«
    »Gleich, gleich. Bei dem Wetter verirrt sich ohnehin kein Ordnungshüter hierher. Unsere Chancen, etwas zu finden, sind mit Spürnase deutlich höher.«
    Das bezweifle ich zwar, lasse die alte Dame aber nach einem Kontrollblick in den dichten Nebel, der uns mittlerweile umgibt, gewähren. Seufzend suche ich die nähere Umgebung ab. Irgendeine Hilfe muss es doch geben. Das Lied zu Ende singen, hat es geheißen.
    Und in dem Ei, da war ein Vogel, der schönste Vogel, den ich jemals sah.
    Der Vogel! Ich drehe mich zur Gloriette um und sehe ihn, den kaiserlichen Adler, der das Gebäude bekrönt. Schon von weitem sichtbar, hockt er in aller Pracht genau über dem Touristencafé, das sich in der Mittelhalle des Pavillons befindet. Durch die Glasfenster ist das hellerleuchtete Innere zu erkennen. Die meisten Tische sind besetzt, kein schlechtes Geschäft für einen grauen Herbsttag.
    »Annili«, sage ich, denn meine Ungeduld ist kaum noch zu zügeln, »warten Sie hier auf mich? Ich will im Café nachsehen, vielleicht ist die Botschaft ja tatsächlich als Treffen gemeint gewesen.«
    Es ist möglich, dass ich nur noch wenige Schritte von einer Begegnung mit djfleming entfernt bin. Warum krampft sich mein Magen dabei so sonderbar zusammen? Fast als wäre ich …
    »Wir sehen uns in der Zwischenzeit weiter draußen um«, sagt Annili. Dann wünscht sie mir viel Glück und zwinkert mir zu. Ich kontrolliere Uhrzeit und GPS auf dem Display des iPhones, als ich mich dem Aufgang zur Gloriette nähere. Tatsächlich stimmen die Koordinaten nun beinahe mit den genannten überein, und seit meiner Fahrt mit dem Riesenrad sind exakt achtundvierzig Stunden und acht Minuten vergangen.
    Es prickelt auf meiner Haut, als ich die Glastür zum Café

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