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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Gloriette öffne. Ein Schwall warmer Luft kommt mir entgegen, die zu gleichen Teilen nach Kaffee, Schnitzelfett, Gulaschsuppe und leicht angebranntem Palatschinkenteig riecht. Wollte man ein Parfüm »Österreich« kreieren, genau so müsste es riechen.
    Der Innenraum mit den hohen Glasfenstern, den cremefarbenen Säulen, dem marmorierten Fußboden und den Rosettenverzierungen ist hell und einladend. Ein Großteil der kleinen Kaffeehaustischchen mit den Korbsesseln ist besetzt, und in den beliebten Aussichtsnischen an den Fenstern kuscheln verliebte Pärchen. Die perfekte Location für ein erstes Date, denke ich und erwische mich dabei, wie ich mich selbst in einer Art überbelichteten Filmsequenz in Zeitlupe den Raum durchqueren sehe. Die einzigen Geräusche in der ansonsten liebesschwangeren Luft sind die Seufzer der anwesenden Touristinnen. Aschenputtelig in bester Happy-End-Manier schwebe ich auf den Mann zu, der mir in dieser Sekunde mit ausgebreiteten Armen und einem Blumenstrauß in der Rechten entgegenkommt.
    »Kann ich Ihnen helfen, gnädige Frau?«
    Die Belichtung ist wieder normal, und der Kellner sieht mich fragend an, einen Stapel schmutziges Geschirr auf dem Arm und ein geschäftiges Lächeln um die routinierten Mundwinkel.
    »Ich wollte mich nur umsehen«, gebe ich zur Antwort und mache ein paar Schritte Richtung Buffet. Meine Knie sind weich, und mein Magen ist flau. Fast wäre ich über ein Kleinkind gestolpert, das auf dem Boden herumkrabbelt. Ich steige darüber hinweg und stehe ratlos im Raum. Links von mir sitzen ausschließlich Paare. Rechts gibt es einige wenige Einzelpersonen, aber dabei handelt es sich um Pensionisten, japanische Businessleute und junge, sauer auf ihre Handys starrende Frauen, deren Dates sich offenbar verspäten. Niemand, der auch nur ansatzweise dem Bild vom romantischen Hobby-Ornithologen entspricht oder mir bekannt vorkäme. Bis auf …
    Mein Herz pausiert mehrere Schläge lang, als ich erkenne, wer soeben das Café betritt. Hastig drehe ich mich um und ziehe die Kapuze meiner Jacke über den Kopf. Ich kann das Blut in meinen Ohren rauschen hören, wie Wellen, die an einem Bug brechen. Ob er mich gesehen hat? Anscheinend nicht, denn aus dem Augenwinkel kriege ich mit, dass er sich an einen der freien Tische setzt, lässig die Beine ausstreckt und die Zeitung, die er unter den Arm geklemmt hat, aufschlägt. Es sieht nicht so aus, als erwarte er jemanden. Ich atme tief durch. Was immer er hier zu suchen hat, es ist ein Zufall, bloß eine willkürliche Fügung, er kann auf gar keinen Fall djfleming sein.
Und warum nicht?
Ich bringe die Stimme zum Schweigen, wende mich, nach einem letzten Blick, zum Ausgang und verlasse das Café Gloriette.
    »Fehlanzeige«, erkläre ich Annili, als ich neben ihr ankomme. »Und bei Ihnen?«
    »Ich glaube, wir haben etwas gefunden«, antwortet sie mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Dort drüben.« Sie hakt sich bei mir unter und manövriert mich in Richtung des Weges, der von der Gloriette zur Grünbergstraße hinunterführt. Nach wenigen Schritten bleibt sie stehen und schaut mich erwartungsvoll an. Ich schüttle ratlos den Kopf. Bis auf den im Nebel verschwindenden Weg, die ihn begrenzenden Bäume sowie einige Spaziergänger kann ich beim besten Willen nicht das Geringste erkennen. Nichts, was einem Hinweis von djfleming ähnlich sieht. Orange bellt aus der Tragetasche und steckt das kleine braune Köpfchen heraus, als könnte sie meine Begriffsstutzigkeit nicht fassen.
    »Checken Sie die Koordinaten!« Die Aufregung in Annilis Stimme ist kaum zu überhören und wirkt ansteckend. Mit zitternden Fingern tippe ich auf mein iPhone-Display, und als das Ergebnis angezeigt wird, fällt mir das Gerät vor Überraschung fast aus der Hand:
    + 48 ° 10 ' 41.00 ", + 16 ° 18 ' 35.00 "
    »Das ist es«, flüstere ich. »Das ist exakt der Punkt.«
    Annili nickt, und Orange legt den Kopf schief. Der Blick ihrer dunklen Hundeaugen ist unverwandt auf eine Stelle links von mir gerichtet. Ich drehe mich in die entsprechende Richtung, und als mir klar wird, um was es sich handelt, klatsche ich mir mit der freien Hand auf die Stirn. Natürlich!
    Mit angehaltenem Atem nähere ich mich dem Vogelhäuschen. Es ist ein ziemlich schmuckloses Holzgebilde auf einer windschiefen Stange, ein Ding, das man leicht übersieht, wenn man nicht speziell darauf achtet. Der Adler auf der Gloriette ist viel augenfälliger, aber djflemings Spiel ist keineswegs auf das

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