Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
bewundernd zuzusehen, diesen langen schneeweißen Fingern, die die Kräuter verrührten und zerstießen und dann die Masse auf Saiphs Körper strichen.
Mit wachsbleichem Gesicht lag der junge Sklave da und rührte sich nicht. Bei den Kämpfen in Orea war er vom Schwert eines Soldaten Megassas durchbohrt worden, hatte viel Blut verloren und war nur knapp dem Tod entronnen.
Als der Ketzer sie fand, hatte er die Situation sofort erkannt. Kriegserfahren wie er war, konnte er auf den ersten Blick einschätzen, wie schlimm es um Saiph stand.
»Die Wunde ist sehr tief. Wie hast du ihn bis jetzt behandelt?«, hatte er Talitha gefragt, während er den Einstich in der Rippengegend untersuchte. Fehlerlos redete er in der Sprache Talarias, jedoch in einem Tonfall, den Talitha noch nie gehört hatte.
»Ich habe einen Zauber versucht«, antwortete sie mit zitternder Stimme, wobei sie ihm den Luftkristall zeigte, den sie um den Hals trug.
»Das wird nicht reichen«, hatte der Ketzer knapp geantwortet, sich dann, ohne ein weiteres Wort, Saiph auf die Schultern geladen und ihn aus dem Stollen getragen. Talitha folgte ihm.
Der Ketzer wohnte in einer Höhle inmitten des Eisgebirges. Ein düsterer Gang führte hinein, der so eng und niedrig war, dass sogar Talitha, obwohl von zierlicher Gestalt, den Kopf tief einziehen musste, um sich nicht zu stoßen. Die Behausung, von nahezu rundem Grundriss, bestand aus einem einzigen Raum, der ins Eis hineingeschlagen war.
»Ist das dein Werk?«, fragte Talitha voller Bewunderung.
»Mehr oder weniger«, antwortete der Ketzer.
Der Raum war zwar klein, aber es fehlte an nichts: In einer Ecke erkannte man ein mit Tierfellen überzogenes Lager und auf der gegenüberliegenden Seite eine kleine Feuerstelle, über der in einem Kessel eine Suppe köchelte. Es gab sogar einige Regale, direkt ins Eis geschlagen, voller Gläser und Fläschchen verschiedensten Inhalts sowie ziemlich viele Bücher. Erhellt wurde die Eishöhle durch einen Luftkristall von mittlerer Größe, der an der Decke befestigt war.
Der Ketzer hatte Saiph sofort auf dem Bett niedergelegt und ihn mit den Fellen zugedeckt, dann hatte er sich der Zubereitung der Heilkräuter gewidmet. Währenddessen stand Talitha da und staunte ihn ungläubig an. War dieser über den Mörser gebeugte Alte, der das Leben ihres engsten Freundes zu retten versuchte, tatsächlich jener Mann, nach dem sie monatelang gesucht hatten? Und warum hatte er Verbas Schwert für sich beansprucht, als gehöre es ihm? War er wirklich der Ewige, jenes legendäre Wesen, das den Krieg zwischen Mira und Cetus überlebt haben sollte? Und zu welcher Rasse gehörte er? Eigentümlich und fremd waren seine Haut und die Proportionen seiner Gliedmaßen. Was Talitha besonders beeindruckte, war sein Rücken. Unter seinem Gewand waren zwischen den Schulterblättern zwei Schwellungen zu erahnen, die dort den rauen, mit geronnenem Blut besudelten Stoff wölbten. So als sei ihm etwas amputiert worden.
»Gib mir den Luftkristallanhänger«, sagte er.
Er hatte die Masse auf Saiphs Wunde verstrichen, und Talitha, die versunken zugeschaut hatte, schrak auf. Sofort reichte sie ihm den Anhänger, und der Ketzer führte ihn zum Munde und besprach ihn, kaum vernehmlich, mit einigen Worten einer Talitha unbekannten Sprache. Kurz darauf erstrahlte der Anhänger in einem magischen Licht. Der Ketzer legte ihn auf die Salbe über der Wundstelle, die am tiefsten zu sein schien, und umwickelte Saiphs Oberkörper mit einigen Binden.
»Deine Resonanz scheint sehr stark zu sein …«, murmelte Talitha. »Du kannst mit dem Luftkristall sicher große Zauber vollbringen.«
Der Ketzer antwortete nicht, stand auf und trat zur Feuerstelle. Talitha beugte sich über Saiph und betrachtete sein Gesicht. Es wirkte immer noch erschreckend blass, doch atmete er schon ruhiger.
»Wird er durchkommen?«, fragte sie.
Der Ketzer zuckte mit den Achseln. »Es war gut, wie du die Blutung gestoppt hast. Aber er hat dennoch viel Blut verloren. Außerdem könnte sich die Wunde entzünden.«
»Schafft er es oder nicht?«, fragte Talitha noch einmal.
»Die Heilkunst kennt keine exakten Vorhersagen. Wir müssen abwarten, wie er die Nacht übersteht.«
Von einer Kelle, die er in den Kessel getaucht hatte, schlürfte der Ketzer ein wenig Suppe, griff dann zu zwei Holzschalen, füllte sie und stellte eine davon vor Talitha hin.
Sie rührte die Suppe nicht an. Zu sehr entsetzte sie der Gedanke, vielleicht ohne Saiph
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