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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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gemeinsame Schicksal, Sklave zu sein, würde ihn je dazu bringen, seinen Herrn zu verraten. Schweren Herzen legte Saiph sich nieder und versuchte, nicht daran zu denken, wie wenige Tage ihm noch zu leben blieben. Zu resignieren konnte er sich nicht erlauben, vor allem jetzt nicht, da Talitha sich offensichtlich aufgegeben hatte.
    Wenn ich selbst schon nicht freikomme, werde ich zumindest sie befreien , war sein letzter Gedanke, bevor er in tiefen Schlaf versank.

31
    D en weiteren Weg mussten sie mit Kapuzen über den Köpfen marschieren. Für das Reich des Herbstes war es ungewöhnlich warm. Hin und wieder, dort, wo das Astwerk, das die Hauptader umschloss, weniger dicht war, spürten sie sogar die Sonnenstrahlen. Und jedes Mal, wenn dies geschah, bekam Talitha es mit der Angst zu tun. Cetus über ihnen wurde Tag für Tag greller, verdorrte Talaria und seine Bewohner, bis alles verbrannt sein würde. Der Einzige, der ihr mehr über diese Entwicklung hätte erzählen können, der Einzige, der darüber Bescheid wusste, war völlig unerreichbar für sie.
    Die aufgezwungene Blindheit schärfte ihre Sinne. Ohne die Ablenkung durch das Gesehene konnte sich Saiph auf Dinge konzentrieren, die ihm normalerweise entgangen wären. Zum Beispiel, wie angespannt und starr sich Melkises Schultern unter seinem Griff anfühlten. Irgendetwas beunruhigte den Mann.
    Die Nacht verbrachten sie noch einmal in einem Unterschlupf unter dem Baumpfad, und dabei schnappte Saiph zufällig eine Unterhaltung zwischen Melkise und Grif auf. Die Augen einen Spalt geöffnet, beobachtete er heimlich, wie der Junge mit den Händen in der Luft herumfuchtelte.
    »Wir müssen was tun«, sagte Melkise leise. »Ich hab heute erfahren, dass Megassa mit seinem gesamten Gefolge aus Mantela abgereist ist, und wir sind noch an keinem Meldeposten vorübergekommen, wo wir ihm hätten mitteilen können,
dass wir sein Töchterlein und den Sklaven geschnappt haben.«
    Saiph wusste, wovon er sprach: Auch im Palast in Messe hatte es so einen Posten gegeben. Es handelte sich um ein System von Meldeposten, das man für die Nachrichtenübermittlung eingerichtet hatte, wobei speziell ausgebildete Sklaven als Boten fungierten. Dieses Netz verband alle bedeutenden Städte Talarias, ließ aber offensichtlich einen Großteil der kleineren Städte unberücksichtigt. In jüngster Zeit, mit den Hungersnöten und den daraus folgenden Unruhen, hatte sich die Situation weiter verschlechtert: Die Straßen wurden immer unsicherer, und unzählige Meldungen gingen verloren.
    Grif schrieb wieder einen Satz mit den Händen, worauf Melkise antwortete: »Wir müssen verhindern, dass sie jemand erkennt. Das könnte uns gefährlich werden: Bei diesem enormen Kopfgeld sind alle hinter ihnen her.«
    Die Hände des Jungen verharrten einen Moment und malten dann wieder Zeichen in die Luft.
    »Keine schlechte Idee«, erwiderte Melkise, »aber ich kann dich nicht mit ihnen allein lassen.«
    Sofort war Grif mit der Antwort bei der Hand.
    »Aber nur, wenn wir eine Zelle finden, verstanden? Sonst ist es zu riskant, es gibt zu viele Hungerleider, die auf die Belohnung scharf sind.«
    Melkise streckt die Hand aus und zerzauste dem Sklavenjungen liebevoll die Haare, worauf dieser offen und selbstsicher lächelte.
    »Und nun leg dich hin. Du brauchst den Schlaf.«
    Grif gehorchte und zog sich den Umhang über die Schultern, während Melkise in die erlöschende Glut vor sich starrte.
    Saiph schloss die Augen, und die Dunkelheit half ihm, sich zu konzentrieren. Er versuchte sich zu erinnern, was er bei den Unterhaltungen mit anderen Sklaven im Palast über das Kopfgeldsystem aufgeschnappt hatte. Da die Identifizierung eines Festgenommenen immer Zeit in Anspruch nahm, wurde der Gesuchte vorübergehend von der Garde in Gewahrsam genommen; die registrierte den Namen des Kopfgeldjägers, der ihn gebracht hatte, damit ihm später die Belohnung ausgezahlt werden konnte. Bis jetzt aber waren sie niemandem überstellt worden, und soweit er verstanden hatte, hatte Melkise bisher noch nicht einmal ihre Gefangennahme überhaupt jemandem mitteilen können. Das hieß, die anderen Kopfgeldjäger machten noch Jagd auf sie.
    Mehr als einmal hatte er davon gehört, dass man einem Kopfgeldjäger die Beute wieder abgejagt hatte, bevor er sie der Garde übergeben konnte. Ein Femtiten-Sklave im Palast, der wegen eines kleinen Diebstahls lange Zeit im Kerker gesessen hatte, erzählte gerne, dass er der Garde nicht von dem

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