Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
Vom Netzwerk:
auszudenken?
    Ein Hoffnungsschimmer glomm auf, als sie einen verrauchten Raum voller Stimmengewirr betraten.
    »Grif, ich überlasse sie jetzt dir«, sagte Melkise, und sie hörten, wie seine Schritte in der Menge verschwanden.
    »Saiph, kannst du was sehen?«, flüsterte das Mädchen.
    »Nein, aber dem Geruch und den Geräuschen nach sind wir in einer Schänke«, antwortete er.
    Während Talitha sich noch fragte, ob das von Vorteil oder Nachteil für sie war, riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken.
    »Das sind sie«, sagte Melkise, ohne ihnen die Kapuze abzunehmen.
    »Ihr könnte sie nicht zu den Zimmern bringen«, antwortete eine ältere Männerstimme. »Ich möchte nicht, dass Verbrecher meine Kunden behelligen.«
    »Dann vielleicht in den Stall?«, fragte Melkise.
    »Einverstanden«, stimmte der andere zu. »Aber wenn es Ärger gibt, zahlt ihr das Doppelte.«
    »Kein Problem. Also mach uns die Lager im Stall zurecht.«
    So warteten sie irgendwo im Raum, mit den Kapuzen über den Köpfen und den Umhängen um die Schultern, bis der Wirt wieder da war.

    Schließlich gelangten sie über einen kurzen Flur und eine schmale Treppe an einen Ort, wo ihnen Melkise die Kapuzen abnahm. Es war eine Halle mit einer niedrigen Holzdecke, die durch breite Fenster belüftet wurde. Auf dem Boden war Stroh ausgebreitet, und der gesamte Raum war in drei geräumige Koben aufgeteilt. Nur einer war besetzt, und zwar von einem kleinen weißen Drachen, der dort lag und schlief.
    Melkise führte sie in einen der beiden anderen Koben, in dem vier Strohlager vorbereitet waren und vier dampfende Schüsseln auf dem Boden standen: Zwei waren mit einem Getreidebrei und winzigen Fleischstückchen darauf gefüllt, die beiden anderen mit einer Brühe, in der verschiedene Gemüse und ein paar Pilze schwammen. Ein karges Mahl, wieder einmal. Aber der Geruch machte Appetit.
    Dennoch aß Talitha wenig und lustlos und ließ sich dann widerstandslos vom Schlaf übermannen. Sie fühlte sich so niedergeschlagen, dass sie sich gleich in einer Ecke zusammenkauerte und die Augen schloss.
    An diesem Abend übernahm Melkise die erste Wache.
    »Du hast in den letzten Tagen hervorragende Arbeit geleistet«, sagte er zu Grif, »heute Nacht darfst du dich etwas länger als sonst ausruhen.« Wenig später war auch der Junge erschöpft eingeschlafen. Nur noch Saiph und Melkise waren wach.
    Man hätte den Kopfgeldjäger für einen weniger aufmerksamen Wächter als Grif halten können; sein Blick war nicht unablässig auf die Gefangenen gerichtet, und er schnitzte Figürchen, schärfte die Pfeile im Köcher oder fertigte neue. Aus Erfahrung wusste Saiph aber, dass er deswegen nicht weniger wachsam war. Dennoch beschloss er, in dieser Nacht nicht zu schlafen, sondern diesen Mann genauer zu beobachten.
Mit dem Rücken an die Stallwand gelehnt, saß er da und sah zu, wie Melkise mit knappen, sicheren Bewegungen einen Stock aushöhlte. Eine ganz Weile ließ sich der Mann nicht bei der Arbeit stören. Dann aber merkte Saiph, wie er langsam nervöser wurde, beobachtete eine etwas weniger präzise Geste, ein leichtes Zittern seiner Hand. Schließlich ließ er das Holz sinken.
    »Warum schläfst du nicht?«
    »Ich bin nicht müde.«
    Melkise richtete die Messerspitze auf ihn. »Ich hab dich durchschaut.« Saiph setzte eine verwunderte Miene auf. »Bei dir steckt immer was dahinter. Anders als bei der kleinen Gräfin, die ist berechenbar, aber du bist heimtückisch und gefährlich. Also spiel nicht den Dummkopf, komm zur Sache.«
    Saiph lächelte. »Warum liegt dir so viel an Grif?«
    Melkise wandte sich wieder seiner Schnitzerei zu. »Sein Herr war der erste Gesuchte, für den ich Kopfgeld kassiert habe«, sagte er nach einer Weile. »Er war Priester im Reich des Winters und hatte versucht, die Zauberformel für das Haltbarmachen von Eis zu verkaufen.« Seine Miene verzog sich zu einem bitteren Lächeln, während er kurz von der Arbeit aufsah. »Verstehst du? Er hatte Grif die Zunge herausgeschnitten, damit er dieses unsinnige Geheimnis nicht verraten konnte, und er selbst wollte sogar noch Geld damit machen.« Er schwieg und schnitzte dann wütend weiter. »Und als dieser Wurm dann endlich geschnappt wurde, war Grif alles andere als erleichtert. Obwohl sein Rücken übersät war mit den Striemen der Stockschläge dieses Halunken, weinte er verzweifelt und flehte mich mit Blicken an, seinen Herrn laufen zu lassen.« Melkises Hand beruhigte sich wieder, während er

Weitere Kostenlose Bücher