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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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sie. Das Heft in beiden Händen fuhr sie herum und schlug blind drauflos. Die Klinge drang in etwas Weiches ein, und als sie genauer hinsah, erblickte sie einen Gardisten, einen jungen Burschen, höchstens zwei, drei Jahre älter als sie. Ihr Schwert hatte seinen Leib durchbohrt, sodass die Spitze aus seinem Rücken hervorragte. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Der junge Soldat riss den Mund auf zu einem stummen Schrei, und während sich ihre Blicke einen Moment lang kreuzten, erkannte Talitha in seinen Augen Furcht und Verwunderung. Dann erstarrte der Blick, und er sank lautlos zu Boden, während sich eine Blutlache unter ihm ausbreitete.
    Wie versteinert stand sie da. All das hatte nur wenige Sekunden gedauert, und doch war es wie eine Ewigkeit, in der alles ausgeschaltet war und Knochen, Sehnen und Muskeln automatisch funktionierten und sich nach dem Gebot des Selbsterhaltungstriebes bewegten.
    Dann aber bildete sich mehr und mehr in ihrem Kopf ein einziger klarer Gedanke heraus.
    Ich habe ihn getötet.

23
    I n einer Blutlache lag die Leiche des Gardisten am Boden. Talitha stand daneben und konnte den Blick nicht abwenden, konnte sich nicht rühren und das Schwert zurückstecken.
    »Los, weg«, rief Saiph und schüttelte sie.
    Die Zeit kehrte wieder zu ihrer normalen Geschwindigkeit zurück, und Talitha wurde von einer Flut von Sinneseindrücken überrollt: Schreie, ein säuerlicher, stechender Blutgeruch, und Saiph vor ihr, der sie mit hartem Blick und blassem Gesicht ansah. Sie blickte auf ihre Hände und sah Blut. Blut, Blut, überall Blut.
    Jemand fasste sie an der Schulter und zog sie fort. Noch einmal wandte Talitha dem jungen Soldaten auf dem Pflaster kurz den Blick zu, dann sah sie auf und erkannte erst richtig die Szenen des Aufstands, das Chaos der ineinander verknäuelten Leiber von Femtiten und Talariten, die in der Gasse aufeinander einschlugen. Sie mussten fort, so weit wie möglich weg von hier. Erst jetzt merkte sie, dass Saiph einem erschreckend abgemagerten Femtiten folgte, der sie mit sicherem Schritt durch die Gassen führte. Sie bogen um eine Ecke und kauerten sich hinter einige aufgestapelte Fässer. Schon eilte eine Gruppe Gardisten vorüber, die zum Schauplatz der Auseinandersetzung unterwegs waren. Dann wurde es wieder ruhiger, und der Femtit seufzte erleichtert.
    »Weiter jetzt«, sagte er, während er aufstand. Er war mittleren
Alters und trug das Haar extrem kurz geschnitten, wodurch sein schmales Gesicht noch ausgezehrter wirkte. »Los, bald wird es hier von Gardisten nur so wimmeln. Kommt, oder habe ich euch ganz umsonst das Leben gerettet?«, fügte er hinzu, weil er ihre Schritte nicht hinter sich hörte.
    Talitha war immer noch nicht ganz bei sich: Ein Teil von ihr war bei dem toten jungen Soldaten zurückgeblieben, und so warf sie Saiph einen kurzen Blick zu und überließ ihm die Entscheidung. Sein Gesicht war verschmutzt, seine Miene unsicher. Schließlich nahm er sie bei der Hand, und sie folgten dem Mann.
    In einer halb verborgenen Gasse betraten sie ein niedriges Gebäude aus Holz, das verlassen schien. Sie stiegen ein paar Stufen hinunter, aber ein Femtit mit strenger Miene hielt sie auf. Er streckte einen langen Knüppel zur Brust des Mannes aus, der sie hergebracht hatte,.
    »Wen schleppst du da an?«
    »Erkennst du sie nicht? Ihre Bilder hängen in der ganzen Stadt.«
    Der Femtit schaute Saiph an und sein Blick erhellte sich. Er lächelte, wurde aber sofort wieder ernst, als er Talitha mit ihrem Schwert sah. »Die kommt hier nicht rein.«
    »Entweder alle oder keiner«, erklärte Saiph, ohne zu zögern.
    »An ihrer Klinge klebt Talaritenblut. Ich habe sie kämpfen sehen und garantiere für sie«, erklärte der Femtit, der sie hergeführt hatte, wobei er ruhig den Knüppel des anderen zurückschob. Der trat zur Seite, behielt sie aber weiterhin misstrauisch im Blick.
    Hinter der Tür lag ein großer unterirdischer Raum mit Wänden aus Felsgestein, in dem breite leere Becken und
schwere Werktische standen. Fenster gab es nicht, für Licht sorgten einige Fackeln an den Wänden. Der gesamte Raum war durch Schnüre, an denen breite Tücher hingen, in eine Reihe abgesonderter Bereiche unterteilt. Das Stimmengewirr der vielleicht dreißig Sklaven, die sich dort aufhielten, verstummte schlagartig, als Talitha und Saiph den Raum betraten. Alle starrten sie an, doch während Saiph Sympathie und Bewunderung entgegenschlug, bekam die Talaritin offenkundige Feindseligkeit zu

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