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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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Einen Arm schützend vor das Gesicht gelegt, sprang sie mit dem jungen Mann hindurch, während das Glas in unzähligen Splittern zerbarst. Sie landeten auf dem Pflaster der Gasse und blieben einen Moment benommen liegen.
    »Sie hauen ab! Ihnen nach!«, hörten sie die Gardisten hinter sich schreien. Geschwind rappelte Talitha sich auf und zog auch Saiph mit hoch, griff dann rasch zu ihrem Stiefel und zückte den Dolch.
    »Nimm, aber setz ihn auch ein.«
    »Das kann ich nicht ...«
    »Du musst!«
    Sie rannten los, auf Geratewohl in die erstbeste Gasse, dann, weiter, immer weiter, bogen mal rechts, mal links ab, in immer neue Gassen, auf einer verzweifelten Flucht, stießen
Passanten zur Seite, wichen knapp einem Marktstand aus, hetzten weiter und mussten plötzlich in einer stinkenden Gasse stehen bleiben. Mit gezückten Schwertern versperrten ihnen zwei Gardisten in den Weg.
    »Vergebung, Gräfin, aber leider muss ich Euch den gebührenden Respekt versagen. Euer Vater hat es befohlen«, sagte einer der beiden und kicherte.
    Am Straßenrand hockten einige Bettler, Femtiten. Einer von ihnen, kaum dem Kindesalter entwachsen, sprang auf und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die Soldaten. Der eine, der gesprochen hatte, starrte ihn einen Augenblick verwundert an.
    »Was willst du denn?«
    »Meinen Bruder verteidigen«, antwortete der Junge mit stolzgeschwellter Brust.
    Beifälliges Gemurmel erhob sich aus der Gruppe der Bettler, die sich ebenfalls langsam erhoben. Alle schauten sie auf Saiph, mit Blicken, in denen so etwas wie eine neue Hoffnung, eine neue Kraft lag. Aber dem Sklaven war unbehaglich zumute, und er nahm den Dolch noch fester in die Hand.
    Weitere Gardisten eilten herbei und drängten die Bettler gegen eine Hausmauer zurück. Dennoch versammelte sich schnell eine immer größere werden Schar aus Sklaven, Bettlern und gewöhnlichen Passanten.
    Plötzlich lächelte der Gardist, der die beiden Fliehenden gestellt hatte, höhnisch und holte aus. Ein entschlossener Hieb, und der Kopf des Jungen flog davon, schlug etwas entfernt auf dem Pflaster auf und rollte dann noch ein paar Ellen die Gasse hinunter. Sein Körper aber, wie vor Fassungslosigkeit erstarrt, blieb noch einige Sekunden aufrecht stehen und sank dann in sich zusammen. Entsetzen packte die
Menge, und Talitha fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Alles war so unwirklich: das Blut, das in hohem Bogen durch die Luft gespritzt war, das Grinsen im Gesicht des Gardisten, das dumpfe Geräusch, wie der Kopf auf das Pflaster knallte.
    Mit unbändiger Gewalt explodierte der Zorn. Die Bettler begannen zu schreien, in der Femtitensprache, die in den Ohren der Talariten so bedrohlich klang, als würden Hunderte von Schlangen zischend näher kommen. Ein Gardist hob das Schwert, schlug zu, und, ohne einen Laut von sich zu geben, brach ein Sklave am Boden zusammen.
    »Sie schlachten uns ab!«, rief einer.
    Weitere Sklaven stürmten herbei, während die Gardisten immer besorgter umherblickten, und ihnen der Angstschweiß auf die Stirn trat.
    Der Kampf entbrannte. Mit dem Mut der Verzweiflung warfen sich die Sklaven auf die Soldaten der Garde, so als hätten sie urplötzlich nicht nur alle Furcht vor den Schwertern verloren, sondern auch vor dem Strafstock, den der Anführer der Garde gezückt hatte und vor den Köpfen der Menge hin und her schwang. Der Zorn der Femtiten war übermächtig, verzerrte ihre Züge und entflammte ihre Blicke.
    Blinde Furcht überkam Talitha, als die Menge sie immer enger umschloss und von allen Seiten stieß und rempelte und ihr die Luft nahm. Die Hand am Heft ihres Schwerts schrie sie aus voller Kehle. Und nichts anderes hörte sie mehr als ihr Schreien. Plötzlich packte jemand sie mit eisernem Griff am Handgelenk und zog sie weg. Unbeschreiblich Szenen spielten sich vor ihren Augen ab, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnten: ineinander verschlungene Glieder dunkler und heller Hautfarbe, Blut, Fleischfetzen,
das Rot der Klingen und das Blau des Strafstocks, der, auf und nieder fahrend, Lichtbögen durch die Luft zog.
    Schließlich ließ der Druck von allen Seiten nach, und das Mädchen fand sich hinter der Menge wieder. Keuchend sank sie auf die Knie.
    »Komm, Herrin, komm!« Talitha hob den Blick. Saiph. Er hatte sie aus dem Getümmel gezerrt.
    Plötzlich ein Sirren, ganz nah, und im allerletzten Moment konnte sie sich zur Seite wegrollen. Aus den Augenwinkeln sah sie ein Schwert funkeln, und ihr Körper reagierte für

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