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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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aufgewachsen. Schon auf der Uni damals hatte Magda immer so getan, als interessierte sie sich kein bisschen für Männer – um sich dann immer wieder den begehrtesten zu schnappen. Wie ihren Exgatten Vincent, einen ausnehmend attraktiven Windhund, von dem sie sich erst vor drei oder vier Jahren hatte scheiden lassen. Seither war, soweit Xenia das wusste, bei Magda Ebbe auf dem Konto Liebesleben. Xenias gelegentliche Bemerkungen über gut aussehende männliche Zeitgenossen waren unkommentiert übergangen worden. Wenn Magda also jetzt so tat, als habe sie David Anděls ansprechendes Äußeres überhaupt nicht bemerkt, konnte es spannend werden.
    »Wie geht es eigentlich deiner Schwester?«, wechselte Xenia das Thema.
    »Valeska? Oh, es geht ihr gut. Sie hat das Haus in Franzensbad gekauft. Diesen alten Bauernhof, weißt du, von dem sie so geschwärmt hat. Und sie ist dabei, dort ein Gesundheitszentrum einzurichten.« Magda lachte. »Sie wollte, dass ich meinen Job hier hinschmeiße und in dieses Kurbad komme, um mit ihr dort zu arbeiten. So ein verrücktes Huhn!«
    Xenia lachte auch. Magda war durch und durch ein Stadtmensch, unmöglich, sie sich auf dem Land vorzustellen. Valeska, die gut ein Jahr jüngere Schwester, dagegen konnte dem Leben in der Stadt nicht viel abgewinnen. Die beiden waren in nahezu jeder Hinsicht sehr verschieden. Während Magda zielstrebig Medizin studiert und dann ihren Facharzt für Gerichtsmedizin gemacht hatte, war Valeska schließlich nach Philosophie, Amerikanistik, Indologie und Bühnenbild bei der Biochemie gelandet. Ein Umstand, der die ganze Familie verblüfft hatte. Allerdings hatte sie ihren Beruf inzwischen gegen den einer Yogalehrerin und Homöopathin eingetauscht. Das waren immerhin zwei Leidenschaften, die sie mit Magda teilte. Und nun versuchte sie also, in einem westböhmischen Kurort ein Gesundheitszentrum aufzubauen. Ja, das klang ganz nach Valeska.
    Nachdenklich fuhr Xenia nach einer Weile fort: »Weißt du, ich kenne Jay nun wirklich schon lange, aber je länger ich ihn kenne, desto weniger weiß ich, was ich von ihm halten soll. Es ist so seltsam, manchmal frage ich mich, wer er wirklich ist.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ach, zum Beispiel die Dienstreisen. Ich habe ein paarmal in der Redaktion angerufen, und dann wusste keiner was davon, er habe doch Urlaub, hieß es. Gott, ich kam mir vor wie ein Idiot! Die eigene Ehefrau weiß nicht, dass ihr Mann Urlaub hat!«
    »Und was hat er gesagt?«, fragte Magda erstaunt. Davon hatte Xenia ihr nie erzählt.
    »Oh, er hat gesagt, das sei ein Missverständnis gewesen.«
    »Na ja, das kann schon mal vorkommen«, sagte Magda. »Aber was meinst du damit, dass du dich fragst, wer er wirklich ist?«
    »Ach, ich weiß auch nicht. Er ist so ein elender Geheimniskrämer. – O verdammt! Die Spaghetti!«, rief sie aus und lief hinüber zum Herd. »Shit, die sind Matsch.« Sie sah Magda entsetzt an und fing dann an zu lachen.
    Magda betrachtete ihre Freundin erst verdutzt, fing dann aber auch an zu lachen. Xenia war ein Stehaufmännchen, sie würde sich nicht unterkriegen lassen.
    »Macht nichts. Ich habe noch eine Packung in der Speisekammer. Also auf ein Neues.« Sie nahm die Weingläser vom Tisch und reichte Xenia eines. »Auf schöne Männer und den Weltfrieden!«, sagte sie fröhlich und drückte ihrer Freundin lachend einen Kuss auf die Wange. Sie tranken beide einen Schluck, dann holte Xenia die Spaghetti aus der Speisekammer, und Magda ging hinüber zur Anlage, um Musik einzulegen. Wie gut, dass es Xenia gibt, dachte sie, legte die Weather Girls ein und drehte die Lautstärke voll auf.
    It’s raining men … schallte es kurz darauf hinaus in den wolkenlosen Himmel über dem Friedensplatz.
     
    Meda Cyanová und Otakar Nebeský saßen an ihren Schreibtischen, vor ihnen Stapel von Computerausdrucken und alten Akten, die Meda aus dem Archiv im Keller geholt hatte.
    »Diese Mumie kriegt nie im Leben einen Namen, wenn du mich fragst. Zumal wir noch nicht einmal wissen, ob wir im richtigen Zeitraum suchen«, sagte Meda und kratzte sich mit ihren langen, dunkelrot lackierten Fingernägeln am Hals. »Dieser Staub ist die Hölle. Ich fühle mich schon selbst wie eine verstaubte Mumie.«
    Sie legte eine weitere Akte auf den Stapel vor ihr. Die Suche nach vermissten Personen aus den späten Siebzigerjahren gestaltete sich, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, schwierig. Es waren bei Weitem noch nicht alle Vermisstenfälle in das

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