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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Computersystem eingegeben worden, und so mussten sie sich mühselig durch die vergilbten, teilweise handschriftlich ausgefüllten Formulare kämpfen. Sie saßen schon seit Stunden daran. Nebeský arbeitete mit verbissenem Eifer.
    »O nein, Herzchen. So leicht gebe ich mich nicht geschlagen«, sagte er und blickte zu Meda hinüber, deren Hals flammend rote Kratzspuren wie ein wirres geometrisches Muster zierten. »Wenn in den Siebzigerjahren eine Frau hier ermordet wurde, werden wir auch rauskriegen, wer sie war. Irgendjemand muss sie doch vermisst haben!«
    »Ich bin mir da nicht so sicher. Vielleicht hatte sie keine Angehörigen. Fast alle Vermissten, deren Akten ich bisher durchgesehen habe, sind früher oder später wieder aufgetaucht. Einige tot, manche quietschfidel, und der Rest – Gott weiß, wo die abgeblieben sind. Hier ist eine, die bis heute gesucht wird – und die war damals schon vierundachtzig.«
    »Selbst wenn sie keine Angehörigen hatte, dann hat sie doch irgendwo gewohnt und hatte Nachbarn. Da hätte sich doch auch jemand gemeldet. Früher haben sich die Leute doch noch für ihre Nachbarn interessiert«, bemerkte Nebeský trotzig. Der Staub biss ihn in der Nase, und außerdem schwitzte er. Er fragte sich, wie Meda es schaffte, so frisch und gebügelt auszusehen bei dieser Hitze. Kein Tropfen Schweiß auf ihrer Alabasterstirn. Er wischte sich abermals mit seinem inzwischen feuchten Taschentuch über das Gesicht.
    »Vielleicht war es eine Touristin. Dann können wir suchen, bis wir schwarz werden. In dem Fall wäre sie nämlich in ihrem Heimatland vermisst gemeldet worden«, bemerkte Meda skeptisch.
    »Eine Touristin?« Nebeský ließ sich den Gedanken durch den Kopf gehen. »Kaum. Wie viele Touristen gab es denn damals? Aber vorsichtshalber können wir ja noch die Meldeakten aus der Zeit raussuchen. Immerhin mussten sich alle Touristen bei der Polizei an- und wieder abmelden. Wenn wir also eine Anmeldung finden, zu der es keine Abmeldung gibt, haben wir sie – vielleicht. Aber ich glaube nicht, dass sie eine Touristin war. Wenn du mich fragst, war die Frau von hier. Und dann muss sie zumindest Nachbarn gehabt haben. Und wie gesagt, die soziale Kontrolle funktionierte damals deutlich besser als heute.«
    »Stimmt. Meine Tante hat ein paar Jahre vor der Revolution ihre Nachbarin vermisst gemeldet«, ließ sich ihr jüngster Kollege Antonín Cajthaml, von allen meist Cajtík genannt, von der Tür hören. Er war vor ein paar Minuten in die kleine Teeküche am Ende des Flurs gegangen, um Kaffee zu kochen. Jetzt stellte er das dünne Ergebnis seiner Bemühungen auf den Besprechungstisch in der Ecke neben der Tür.
    »Die war einfach von einem Tag auf den anderen verschwunden«, fuhr er fort. »Die Polizei hat damals sogar den Karpfenteich abgelassen, weil sie dachten, sie sei vielleicht ertrunken. Mann, waren die Fischer sauer, das war nämlich, kurz nachdem sie die neuen Fische eingesetzt hatten, und da war dann natürlich alles futsch. Na, und dann stellt sich doch glatt heraus, dass die Frau sich über die Hügel davongemacht hatte. Kein Wunder, dass man sie nirgends finden konnte. Sie hat ein paar Monate später eine Postkarte aus Deutschland geschickt.« Er grinste. »Kaffee, die Herrschaften?«
    Meda und Nebeský starrten ihn an.
    »Cajtík, du bist genial!« Der Inspektor knallte die Akte zu, die er gerade gelesen hatte. »Natürlich, warum habe ich nicht selbst daran gedacht? Vielleicht ist die Frau damals abgehauen?«
    »Na, dann hätte sie jetzt wohl kaum als Mumie in der Metro auftauchen können, oder?« Meda lächelte ihren Kollegen mitleidig an. Offenbar hatte ihm der Staub das Hirn vernebelt.
    »Nein, ich meine, vielleicht wollte sie abhauen, und als sie dann weg war, haben alle gedacht, sie sei drüben – da hatte ja keiner einen Grund, sie vermisst zu melden«, begeisterte Nebeský sich für seine Idee.
    »Leute, die abhauen wollten, haben das, soviel ich weiß, nicht an die große Glocke gehängt, mein Bester«, sagte Meda spitz. »Da wäre aus der Flucht kaum was geworden, nicht wahr? Also hätte sie auch in diesem Fall jemand vermisst. Wie Cajtíks Tante ihre Bekannte.«
    »Na ja, sie könnte ja auch verreist sein, oder?«, fragte Cajtík vorsichtig. »Das heißt, sie konnte vorgehabt haben zu verreisen, das hätte sie ja ohne Weiteres erzählen können, das wäre dann alles ganz offiziell gewesen, nicht wahr? Und dann hat sie jemand umgebracht, in die Metro geschafft und – ja, und

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