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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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niemand hätte sie als vermisst gemeldet, weil sie ja verreist war.«
    Nebeský, der sich nach Medas spitzer Bemerkung wieder auf seinen Stuhl gesetzt hatte, sprang erneut auf. »Genau. Genau so muss es gewesen sein! Sie ist verreist. Wollte verreisen. Wenn das wirklich so war, können wir diesen Krempel wieder einpacken.«
    »Dann müssten wir aber trotzdem eine Vermisstenanzeige finden«, beharrte Meda. »Denn dann wäre sie ja nicht zurückgekommen, und irgendwem hätte das auffallen müssen. Immerhin muss die Frau irgendwo gearbeitet haben, wenigstens da hätte man sie vermisst, wenn sie nicht aus dem Urlaub wiedergekommen wäre.«
    »Stimmt auch wieder.« Nebeský deutete auf die Stapel auf seinem Schreibtisch. »Cajtík, du machst hier weiter. Und ich besorge die Reiseanträge von damals.«
    Er ging hinüber zum Besprechungstisch und betrachtete die bis zum Rand gefüllten Gläser. Er wusste, dass Cajtík in seiner Freizeit jonglierte und sich für allerlei Geschicklichkeitsspiele begeisterte. Aber warum musste er auch bei der Arbeit üben? Wie konnte er es überhaupt schaffen, ohne Tablett drei bis zum Anschlag gefüllte Gläser Kaffee den ganzen Weg von der Teeküche hierherzubringen, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten?
    »Du hast nicht zufällig auch Strohhalme mitgebracht?«, fragte er und deutete auf die Gläser.
     
    Larissa saß auf einer Parkbank in den terrassenförmigen Palastgärten unterhalb der Burg und genoss die Sonne. Sie hatte sich den Tag freigenommen, um über die Mumie und ihre weiteren Recherchen nachzudenken.
    David Anděl und Otakar Nebeský waren vermutlich mit Feuereifer dabei, nach vermissten Frauen zu suchen. Sie lächelte bei dem Gedanken an die Nachnamen der beiden Polizisten. Sie machten einen kompetenten Eindruck, früher oder später würden sie die Vermisstenanzeige der Frau schon finden, die so spektakulär nach Jahren aus der Versenkung aufgetaucht war. Sofern die Leiche nicht doch älteren Datums war. Aber Larissa hatte das Gefühl, dass Magda Axamit recht behalten würde, nicht nur wegen des Nagellacks. Wie sollte eine antike Mumie in die Metro kommen? Allerdings war es fast ebenso unwahrscheinlich, dass überhaupt eine Leiche da unten entsorgt worden sein sollte. Nichtsdestotrotz hatte man sie dort gefunden. Wie auch immer sie dorthin geraten sein mochte.
    Wie lange hatte die Mumie wohl in der Metro gelegen?, fragte sie sich. Schwer zu sagen. Höchstens achtundzwanzig Jahre, mindestens – tja, mindestens ein paar Jährchen. Immerhin könnte die Leiche auch erst vor fünf oder zehn Jahren da unten abgelegt worden sein. Aber irgendwie nahm Larissa an, dass die Leiche schon sehr lange da unten gelegen hatte. Wie wahrscheinlich war es, dass man damals, in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre, einfach so verschwinden konnte?
    Nach allem, was ihre Eltern ihr über diese dunkle Zeit in der Geschichte der damaligen Tschechoslowakei erzählt hatten, war es nahezu ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, sich derart gründlich aus dem Staub zu machen. Es hatte damals sehr wenig Kriminalität gegeben, kein Wunder bei der allgegenwärtigen Kontrolle in allen Lebenslagen. Und von Morden hatte man auch nur selten gehört, geschrieben worden war darüber sowieso kaum, immerhin hatte man den Anspruch gehabt, die perfekte Gesellschaft aufzubauen, da hatten Morde nicht ins Konzept gepasst.
    Aber der Mord an der unbekannten Frau war ja auch nicht aufgedeckt worden. Sie war nur eines Tages verschwunden. Wieso hatte das niemand bemerkt? Schön, vielleicht hatte sie keine Angehörigen, oder sie wohnten jedenfalls nicht in Prag, hatten vielleicht wenig oder keinen Kontakt zu ihr. Vielleicht war sie eine Waise. Viele Vielleichts. Viele Möglichkeiten.
    Dass aber die Frau zum Zeitpunkt ihres Todes in Prag gelebt hatte, nahm Larissa an. Alles andere hätte keinen Sinn ergeben. Warum sollte der Mörder die Leiche in die Stadt schleppen? Hätte er sie irgendwo auf dem Land umgebracht, wäre es viel einfacher gewesen, sie irgendwo im Wald zu vergraben. Es gab genug tiefe Wälder, in denen man eine Leiche verschwinden lassen konnte. Aber es blieb die Frage, warum niemand sie vermisst hatte. Bevor man sich mit alldem beschäftigen konnte, musste Dr. Axamit erst feststellen, wie lange die Frau bereits tot war. Larissa hatte keine Ahnung, wie man das machte. Sie musste sich das von der Gerichtsmedizinerin genau erklären lassen. Das wäre auch ein interessanter Artikel.
    Sie blickte über die

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